China freut sich über den Gipfel

von Redaktion

VON SVEN HAUBERG

München – Viel hatte Chinas Außenamt am Dienstag nicht zu sagen, als Sprecherin Mao Ning von Journalisten nach Kim Jong Uns Russland-Besuch gefragt wurde. „China und Nordkorea sind freundliche Nachbarn, die durch Berge und Flüsse miteinander verbunden sind“, erklärte Mao in blumigen Worten. Und was das Treffen zwischen Nordkoreas Diktator und Russlands Präsident Wladimir Putin angehe, dazu habe sie nichts mitzuteilen, schließlich gehe das nur die beiden etwas an. Auch Chinas Hauptnachrichten gaben sich wortkarg. Ganze 34 Sekunden dauerte der Beitrag am Dienstagabend.

Trotz der demonstrativen Zurückhaltung dürfte man in Peking genau beobachten, was sich derzeit in Russland, unweit der Grenze zu China, abspielt. Kim Jong Un traf am Mittwoch im Kosmodrom Wostotschny, einem Weltraumbahnhof in der Amur-Region, auf Putin, es ist seine erste Auslandsreise seit 2019. Die ohnehin abgeschottete Diktatur hatte mit Beginn der Pandemie die Grenzen dichtgemacht, erst seit ein paar Wochen gibt es Anzeichen einer vorsichtigen Öffnung. Warum Kim nun nach Russland reiste, ist offen, Details zur Begegnung mit Putin blieben zunächst aus. Allerdings hatten US-Medien schon vor Tagen berichtet, Russland wolle Waffen aus Nordkorea erwerben. Im Gegenzug für alte Artilleriegeschosse aus Sowjetzeiten, die Nordkorea massenweise auf Lager habe, könnte das bettelarme Land Lebensmittel, Energie, Dünger oder sogar Technologien für ballistische Raketen erhalten.

Ein solcher Deal wäre ein Verstoß gegen UN-Sanktionen, erklärte Matthew Miller, der Sprecher des US-Außenministeriums, und „ein Zeichen für die verzweifelte Lage, in der sich die russische Regierung nach anderthalb Jahren in diesem Krieg befindet, den sie erfolglos gegen die Ukraine führt“. Sollte sich Russland tatsächlich um nordkoreanische Waffen bemühen, könnte das aber auch bedeuten, dass Putin bei einem anderen Verbündeten mit seinem Gesuch bislang abgeblitzt ist: China mag zwar Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, nach Russland schicken; Waffen aber, so glauben Analysten, verweigert Staatschef Xi Jinping seinem Freund Putin bislang.

Offiziell verhält sich China im Ukraine-Krieg neutral, an einer Niederlage Putins dürfte die Regierung in Peking allerdings kein Interesse haben. Russland und China teilen nicht nur eine mehr als 4000 Kilometer lange Grenze, sondern auch den Wunsch, die vom Westen dominierte Weltordnung zerfallen zu sehen. Sollte Nordkorea Waffen an Russland liefern, dürfte das Peking also ganz recht kommen.

Auch mögliche russische Energie- und Lebensmittellieferungen an Nordkorea sind in Pekings Interesse. Denn ein Zusammenbruch des Kim-Regimes, das Berichten zufolge derzeit nicht in der Lage ist, seine Bevölkerung ausreichend zu ernähren, wäre für China eine Horrorvorstellung. Rund 25 Millionen Menschen leben in dem Land, nicht wenige von ihnen würden wohl nach Norden über die Grenze nach China fliehen, sollte es in Nordkorea zu Unruhen kommen. Zudem betrachtet China seinen kleinen Nachbarn als Puffer zu Südkorea, wo rund 28 000 US-Soldaten stationiert sind.

Wobei Peking gleichzeitig kein Interesse hat an einem allzu hochgerüsteten, aggressiven Nordkorea. Denn trotz der engen Verbindungen zwischen Peking und Pjöngjang bleibt Nordkorea ein unberechenbarer und kaum zu kontrollierender Nachbar. Man beobachtet mit Sorge, wie Kims zunehmende Drohgebärden in Richtung USA, Südkorea und Japan die drei Länder immer enger aneinanderschweißen.

Sogar ihre historisch gewachsenen Animositäten scheinen Seoul und Tokio derzeit zu überwinden, zuletzt trafen sich Japans Premierminister Fumio Kishida sowie die Präsidenten der USA und Südkoreas, Joe Biden und Yoon Suk-yeol, erstmals zu einem historischen Dreiergipfel in Camp David.

Artikel 9 von 11