Die Ampel braucht mehr Tempo in der Migrationspolitik. Das verlangt – ausgerechnet einer ihrer wichtigsten Innenpolitiker. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle (34) aus Niedersachsen fordert vom Bundestag, vor den Landtagswahlen im Oktober die Liste sicherer Herkunftsstaaten zu verlängern. Georgien und Moldau sollen in die Liste, die eine Bewilligung von politischem Asyl in der Regel ausschließt und Verfahren verkürzt. Als sichere Herkunftsstaaten gelten in Deutschland neben den EU-Ländern derzeit Ghana und Senegal (seit 1993), Bosnien und Herzegowina, Serbien und Nordmazedonien (2014), Albanien, Kosovo und Montenegro (2015).
Der Zuzug steigt stark. Spüren Sie, dass das die Menschen bundesweit mehr und mehr umtreibt?
Ja. Die Menschen machen sich große Sorgen, dass die Migration nach Deutschland nicht hinreichend gesteuert wird. Gleichzeitig höre ich in jedem Gespräch mit kleinen und großen Firmen, wie sehr uns Arbeitskräfte fehlen. Wir brauchen also mehr reguläre und weniger irreguläre Zuwanderung. Wenn es uns nicht gelingt, das zu regeln, werden sich immer mehr Menschen abwenden von den demokratischen Institutionen.
Bayern und Hessen wählen im Oktober. Sollte der Bundestag vorher das Signal senden: „Problem verstanden“?
Die Ministerpräsidentenkonferenz hat schon im Mai einstimmig Maßnahmen beschlossen: eine Verlängerung des Ausreisegewahrsams auf 28 Tage und endlich die Aufnahme von Georgien und Moldau in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten. Mindestens bei Georgien und Moldau sollte das im Bundestag schnell erfolgen – also vor den beiden Landtagswahlen. Es ist keinem Menschen zu vermitteln, dass eine solche Maßnahme, über die sich fast alle einig sind, monatelang hin und her diskutiert wird und wir nicht zu Potte kommen. Diese Einstufung würde sofort entlastend wirken.
Sitzungstage vor der Wahl gibt es ja noch…
Zwei ganze Sitzungswochen sogar. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung kann von uns parallel zum Bundesrat diskutiert und beschlossen werden. Jeder Tag zählt.
Woran hakt’s denn?
Es hat leider sehr lange gedauert, bis die Bundesregierung den Entwurf beschlossen hat. Nach allem, was man hört, gibt es bei einzelnen Grünen noch grundsätzliche Bedenken und den Versuch, das hinter die Landtagswahlen zu schieben. Ich rate davon ab. Ob wir es wollen oder nicht – dieses Thema spielt eine riesige Rolle überall im Land. Wir brauchen diese Entlastung des deutschen Asylsystems. Es wäre gut, wenn die Bundespolitik Handlungsfähigkeit zeigen würde.
Stellen Sie sich hinter den Wunsch, auch die Maghreb-Staaten in die Liste aufzunehmen?
Ja, sobald sie die Voraussetzungen erfüllen. Der Knackpunkt bei den Maghreb-Staaten ist: Wir müssen mit ihnen zunächst vereinbaren, dass sie ihre Staatsbürger auch wieder zurücknehmen müssen – sonst nützt die ganze Einstufung nichts, dann scheitert auch jede Abschiebung. Das sollte der Bund vorbereiten. Es braucht also Migrationsabkommen, die wir behutsam mit Algerien, Tunesien und Marokko besprechen und verhandeln sollten.
Interview: Chr. Deutschländer