Gauck: Dänemark als Vorbild

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

München – Man hat schon fast vergessen, dass Bundespräsidenten auch mal Sätze sagen, die nicht allen gefallen. Als im September 2015 mit dem Syrienkrieg die erste Flüchtlingswelle in vielen Sonderzügen nach Deutschland rollte, hieß der Präsident Joachim Gauck. Und er hielt eine Rede, die damals für Zündstoff sorgte: Vor allem der Satz „Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich“ blieb in Erinnerung. Zumal Gauck als evangelischer Theologe über moralische Zweifel erhaben war.

Fast acht Jahre später meldet sich Gauck erneut zu Wort. Längst ist er nicht mehr im Amt, aber Gehör findet der inzwischen 83-Jährige immer noch. Und er hat eine Botschaft. Wieder mit einem Grundton, der den linken Parteien, die ihn einst ins Amt wählten, nicht gefallen dürfte. „Wir müssen Spielräume entdecken, die uns zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen“, sagt Gauck in „Berlin direkt“. Man müsse zwar „offen und einladend“ bleiben, aber auch die Sorgen in der Bevölkerung ernst nehmen. Selbst wenn es bei den Parteien der Mitte eine „Furcht vor einer brutal klingenden Politik der Abschottung oder Eingrenzung“ gebe. Er jedenfalls findet, „dass es vielleicht auch moralisch überhaupt nicht verwerflich ist und politisch sogar geboten, eine Begrenzungsstrategie zu fahren“.

Konkrete Vorschläge will Gauck den Parteien nicht machen. Ihm geht es um das Signal. Eine „neue Entschlossenheit“ und „neue Wege“, nicht „nur das Drehen an Stellschrauben“. Regierungen müssten handlungswillig und -fähig sein.

Interessant ist, dass Gauck das sozialdemokratisch regierte Dänemark erwähnt. „Den Dänen ist es gelungen, eine national-populistische Partei unter drei Prozent zu drücken.“ Vor ein paar Tagen hatte bereits Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Dänen als Vorbild genannt, weil man dort „parteiübergreifend nach neuen Wegen“ gesucht habe. Und auch Markus Söder verweist gestern in seiner Pressekonferenz nach der CSU-Vorstandssitzung auf die Nachbarn im Norden.

Aber was ist in Dänemark eigentlich passiert? Auch hier regiert ein Bündnis unter sozialdemokratischer Führung. Doch seine Politik wird von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung als „neue Gegenbewegung zum vorherrschenden liberalen, einwanderungsfreundlichen Diskurs vieler sozialdemokratischer Parteien in Europa“ eingestuft. Damit hatte Regierungschefin Mette Frederiksen im November die Wahl gewonnen.

Die Richtung ist eindeutig, auch wenn die Umsetzung nicht einfach ist. Die Möglichkeit, an der Grenze oder im Land einen Asylantrag zu stellen, soll mittelfristig auf Null zurückgefahren werden. Unter anderem wollte Dänemark dazu Auffangzentren für Migranten außerhalb Europas, beispielsweise in Ruanda, aufbauen – derzeit liegt das Projekt jedoch auf Eis. Bereits im Land lebende Mi-granten müssen sich stärker integrieren. Zuvor hatte das Land auch Teile Syriens als sicher eingestuft – als erstes in Europa überhaupt. Die Folge: In Deutschland wurden im Juli 23 674 Asylanträge gestellt, in Dänemark waren es im Juli 180.

Auch Alexander Dobrindt findet das vorbildlich. „Dänemark zeigt, entschlossenes politisches Handeln führt zur Begrenzung der illegalen Migration“, sagte der CSU-Landesgruppenchef unserer Zeitung. „Die Ampel dagegen schafft weitere Anreize zur illegalen Migration nach Deutschland, während das SPD-geführte Dänemark der illegalen Migration ein klares Stoppschild aufstellt.“ Auch in Berlin brauche es nun einen „echten Kurswechsel“.

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