Manches kann man sich einfach nicht ausdenken: Seit Jahren stemmt sich Warschau gegen Migration aus Afrika oder dem arabischen Raum, seit Jahren polemisiert es deshalb gegen Brüssel und Berlin, blockiert eine gerechte Verteilung in der EU (auf Kosten Deutschlands) – und auf einmal stehen Teile der Regierung selbst unter Schleuser-Verdacht. Natürlich wird es auch in Polen jene geben, die kurz vor der Wahl nicht die haarsträubende Heuchelei der PiS, sondern im Gegenteil eine Kampagne gegen sie beklagen. Auch deshalb ist unklar, ob der Skandal um verramschte Visa auf das Wahlergebnis abfärbt. Die deutsch-polnischen Beziehungen aber dürfte der Fall weiter eintrüben.
Ohnehin steht es um sie nicht gut. Im Wahlkampf hat die PiS das alte Feindbild Deutschland wiederentdeckt und ist sich nicht zu blöd, mit aussichtslosen Reparationsforderungen und uralten Ressentiments auf Stimmenfang zu gehen. Wer dachte, der russische Angriff auf die Ukraine schweiße die Regierungen zusammen, der irrte. Beispiel: die berühmte Panzer-Koalition. Erst machte Warschau massiv Druck – und ließ Berlin dann bei der Lieferung (zunächst) auflaufen. Das Spielchen ist ein politisches und hat sicher wenig mit den Menschen in Polen zu tun. Der Visa-Skandal wirft nun umso mehr die Frage auf, wie gesprächsfähig, wie vertrauenswürdig der populistische PiS-Regierungstrupp überhaupt noch sein kann.
Marcus.Maeckler@ovb.net