München – In der CSU denken sie jetzt wieder häufig an das legendäre Kuh-Plakat. 2021 im Bundestags-Wahlkampf ließ die Parteizentrale als eines von vielen Motiven eine große, glückliche Kuh mit feuchtem Maul drucken, dazu den Spruch „Heimat bewahren, Bauern stärken“. Populärer als der damalige Kandidat Armin Laschet (CDU) sei das Motiv allemal, fanden viele Ortsverbände – und klebten das Plakat begeistert. In der Gesamtschau auf den Plakatwänden vor Ort wirkte das aber oft etwas merkwürdig: Alle Parteien stellen ihre Kandidaten fürs Parlament vor. Und die CSU eine Kuh.
Das Kuh-Plakat werde man nicht wiederholen, war bald Konsens in der Parteiführung. Die Geschichte steht heute als Synonym für den Versuch, Wahlkampf ohne konkrete Themen, aber mit viel Bayern-ist-schön-Gefühl zu machen. Genau das ist allerdings der Grundton des aktuellen Wahlkampfs. Zwar ohne Fleckvieh, aber mit der Strategie, Bayerns Schönheit, Traditionen und Mir-san-mir-Mythos mit den CSU-Botschaften zu koppeln, hat Parteichef Markus Söder die Kampagne zur Landtagswahl konzipieren lassen. Leitsätze: „Unser Land in guter Hand“ und „In Bayern lebt es sich einfach besser“. Er begleitet das mit Radltouren übers Land und 110 Bierzeltauftritten.
Die Idee war, nach und in den Wirren von Corona-Krise und Ukraine-Krieg über Zuversicht, Verbundenheit und das positive Bayern-Bild zu reden. Und sich so gleichzeitig von der Berliner Ampel abzugrenzen. Inhalte? Nur reduziert. Mitte Juni legte Generalsekretär Martin Huber ein Wahlprogramm ganz ohne Neuigkeit vor. Das Medienecho („Aus der Konserve“; „CSU plant: nichts“) wurde als Miesmacherei abgetan.
Mehrere führende Köpfe berichten, dass Söder vor allem das problembeladene Thema Migration über Monate komplett vom Wahlkampf fernhalten wollte. Er beließ es beim Zweiklang: Fachkräfte holen, illegale Migration eindämmen. Drastisch warnten viele Kommunalpolitiker, darunter gestandene Landräte, die CSU müsse ernste Debatten über Obergrenzen und Leistungskürzungen führen. Sogar Söders Vorgänger Horst Seehofer brach seine anderthalb Jahre währende Funkstille, warnte im Interview mit unserer Zeitung die Union vor einem „Wegschweigen“. Zunächst vergeblich.
Nach dem bundesweiten Krach um Aiwanger ist der Harmonie-Plan nun aber dahin; das Dimmen des Asyl-Themas klappt wegen voller Turnhallen und der Lampedusa-Lage nicht mehr. Und die Grundstimmung hat sich gewandelt. Im „Bayerntrend“ letzte Woche äußerten sich erstmals 53 Prozent der Bayern beunruhigt; im Jahr 2013 waren es nur 26 Prozent. Dazu passt kein Wohlfühl-Wahlkampf mehr.
Eigentlich trifft der neue Fokus alle Parteien. Für Grüne und SPD ist Migration aber kein entscheidendes Thema, sie müssen ihre Kampagnen nicht umplanen. Die Freien Wähler im Umfragehoch sehen kaum Änderungsbedarf. Die FDP schärft in ihrer Wortwahl erkennbar nach. Und der CSU in ihrem 36-Prozent-Tief bleiben nun zweieinhalb Wochen zum Umsteuern.
Einfach ist das nicht. Für neue Plakate ist es zu spät, sagt ein erfahrener Parteimanager. Auch der „Wahlaufruf“ der CSU wird wohl in letzter Minute nicht mehr umgeschrieben. Der zweiseitige Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt, enthält noch kein Wort von „Integrationsgrenze“, zu Arbeitspflicht für Asylbewerber oder Sachleistungen, wurde im Vorstand aber so schon beschlossen.
Für eine Internet-Kampagne reicht die knappe Zeit. Söder selbst steuert mit Interviews um. Er holte Österreichs Kanzler Nehammer nach München. Und besucht heute die bayerische Grenzpolizei in Freilassing, um dort eine Stärkung anzukündigen. Migration soll als Thema auf dem Parteitag am Samstag in München nun doch eine große Rolle spielen. Söders Rede soll voll im Mittelpunkt stehen, flankiert von einem Auftritt von CDU-Chef Friedrich Merz, der alle Asyl-Pläne billigt. Um neue Pläne in Bayern vor der Wahl umzusetzen, ist die Zeit jetzt aber zu knapp.