Baku – Die EU fordert nach dem Militäreinsatz in Berg-Karabach Sicherheitsgarantien für die dort lebenden Armenier. EU-Ratspräsident Charles Michel habe in einem Telefonat mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev deutlich gemacht, dass dessen Land sicherstellen müsse, dass ethnische Armenier respektiert würden und eine Zukunft in Aserbaidschan hätten, sagte ein ranghoher EU-Beamter am Donnerstag. Für diejenigen, die Berg-Karabach verlassen wollten, müssten Bedingungen für eine sichere und freiwillige Ausreise geschaffen werden.
Aliyevs habe eine internationale Vermittlung in dem Konflikt abgelehnt und bekräftigt, dass der Militäreinsatz gerechtfertigt gewesen sei. Aserbaidschan sei nun daran interessiert, die „Wiedereingliederung“ des Gebiets fortzusetzen und würde eine Amnestie für diejenigen in Erwägung ziehen, die ihre Waffen niedergelegt hätten.
Michel soll gesagt haben, es habe bereits Diskussionen über unterschiedliche Optionen gegeben. Die Mittel, die die Regierung in Aserbaidschan genutzt habe, seien schlicht inakzeptabel. Nach Angaben von EU-Diplomaten reichen die Optionen von einem Einberufen des Botschafters über das Aussetzen von Kooperationsformaten bis hin zu Sanktionen.
Das Thema ist für die EU brisant, weil sie eigentlich die Gasgeschäfte mit dem Land am Kaspischen Meer weiter ausbauen will, um sich unabhängig von russischen Energielieferungen zu machen. Nach einer im Sommer 2022 von der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Präsident Aliyev unterzeichneten Absichtserklärung soll die Liefermenge für die EU ab 2027 mindestens 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr betragen. In diesem Jahr sollen rund zwölf Milliarden Kubikmeter Gas fließen, nach nur etwa acht Milliarden Kubikmetern in den Jahren zuvor.
Aserbaidschan hatte die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region im Kaukasusgebirge Berg-Karabach seit Dienstagmorgen mit Raketen und Artillerie angegriffen. Am Mittwoch gaben die militärisch unterlegenen Armenier auf. Viele von ihnen fürchten nun, aus ihrer Heimat vertrieben zu werden oder zum Ziel aserbaidschanischer Gewalt zu werden. Durch die neuen Kämpfe wurden laut armenischen Medien mindestens 200 Menschen getötet und mehr als 400 weitere verletzt.
Bei Gesprächen von Sieger und Verlierer am Donnerstag in der Stadt Yevlax seien unter anderem „Fragen der Wiedereingliederung der armenischen Bevölkerung Karabachs“ besprochen worden, teilte die Präsidialverwaltung des autoritär geführten Aserbaidschans mit.
Die beiden Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien kämpfen bereits seit Jahrzehnten um Berg-Karabach. Im letzten Karabach-Krieg 2020 eroberte das durch Öl- und Gaseinnahmen hochgerüstete Aserbaidschan bereits große Teile der Region. Die Kämpfe damals hatten sechs Wochen gedauert und 6500 Tote gefordert.
Die christlich-orthodoxen Armenier setzten traditionell auf Russland als Schutzmacht, viele fühlen sich aber aktuell von Moskau im Stich gelassen. Das muslimisch geprägte Aserbaidschan wiederum setzt auf die Unterstützung der Türkei.
Aserbaidschans Gas ist fest eingeplant