Friedlicher Wechsel in Südwest-CDU

von Redaktion

VON NICO POINTNER

Stuttgart – Der Druck aus der eigenen Partei soll zuletzt riesig gewesen sein. Wochenlang war spekuliert worden, ob und wann Thomas Strobl den Platz frei machen würde in der Südwest-CDU. Am Montag gab der 63-Jährige auf. Nach zwölf Jahren an der Landesspitze. „Ich trete beiseite, arbeite in der Mannschaft weiter“, gelobte er und beteuerte, nicht unter Druck gesetzt worden zu sein.

Der Rückzug hat nicht nur Folgen für die Arbeit der grün-schwarzen Koalition, sondern lenkt den Blick auch auf die Landtagswahl 2026. Werden die Christdemokraten nach über einem Jahrzehnt grüner Herrschaft wieder ins Staatsministerium einziehen, wie die Staatskanzlei dort heißt?

Strobl räumt seinen Chefsessel für den Mann, den er selbst politisch großgezogen hat – und dem seit vielen Monaten Ambitionen auf den Posten zugeschrieben werden: Manuel Hagel. Dem 35-jährigen CDU-Fraktionschef wird nachgesagt, dass er im zweiten Schritt nach der Spitzenkandidatur 2026 greifen will. Öffentlich äußern wolle er sich erst am Mittwoch, sagt Hagel. Dann kommen die Kreisvorsitzenden zusammen. Am Montag gab er nur an, er habe Lust zu gestalten.

Die CDU hofft, die historische Niederlage wettzumachen. Die CDU regierte fast sechs Jahrzehnte, bevor sie 2011 die Macht an die Grünen verlor – ein bis heute bundesweit einmaliges Szenario. Die schwarzen Chancen stehen für 2026 nicht schlecht. Denn die Grünen müssen dann ohne Ministerpräsident Winfried Kretschmann ins Rennen gehen. Der will nicht mehr kandidieren. Er ist populär, verstand es, auch die konservativen Wähler zu binden. Ohne ihn könnte sich die düstere Umfragelage im Bund noch mehr aufs Land auswirken. Ob sich mit Cem Özdemir ein ähnlich populärer Kandidat durchsetzen oder vielleicht schon vorher inthronisieren lässt, ist offen; die CDU will sich einer vorzeitigen Stabübergabe verweigern.

Offiziell gewählt werden muss der neue Parteivorsitzende auf dem CDU-Landesparteitag im 18. November in Reutlingen. Am Ende wird es heißen, alles sei einvernehmlich abgelaufen – es zähle erst die Partei, dann das Personal. Fest steht: Es kam nicht zu einem offenen Machtkampf Strobl/Hagel. Mit so etwas hat der Landesverband früher genug schlechte Erfahrungen gemacht. Seit 2004 Landesvater Erwin Teufel tobte, er lasse sich „nicht wegmobben“, gab es viele Fälle.

Der 63-jährige Strobl bleibt zwar Innenminister, aber beugt sich mit seinem Rückzug der Tatsache, dass er in der Partei schon lange geschwächt ist. Beim Parteitag 2021 erhielt er gerade noch 66,5 Prozent. „Ich bin dankbar, dass Strobl diesen Generationswechsel eingeleitet hat und wir jetzt gemeinsam die nächsten Schritte anpacken“, sagte der Bezirksvorsitzende der CDU Württemberg-Hohenzollern, Thomas Bareiß. „Die Menschen erwarten in dieser schwierigen Zeit eine starke und handlungsfähige CDU.“

Hagel feilt schon lange an seinem konservativen Profil. Der frühere Generalsekretär und bekennende VfB-Fan will den Konservatismus entstauben und mit modernen Positionen verbinden. Die Werte seiner Partei will der 35 Jahre alte Ehinger wieder mehr hervorkehren, wie er mit unüberhörbar schwäbischem Akzent formuliert. Er setzt sich dafür immer mehr ab vom grünen Koalitionspartner, etwa wenn es um die Migrationspolitik geht. Als Landeschef wird er das noch lauter tun. Das Regieren dürfte nicht einfacher werden für Kretschmann.

Strukturiert tritt Hagel dabei auf, progressiv und für einen CDU-Politiker erstaunlich ökologisch orientiert. Aber auch mit Machtkalkül: Den friedlichen Wechsel wollte er zwar, aber er wäre dem Vernehmen nach auch zum Putsch bereit gewesen.

Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann leitete das frühere Mitglied der Jungen Union von 2014 bis 2016 als Direktor eine Sparkassenfiliale in seiner Heimatstadt. Dort in Ehingen lebt der Hobbyjäger nach wie vor. Als verheirateter zweifacher Vater, Mitglied der Narrenzunft Spritzenmuck und der historischen Bürgerwache.

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