Pristina – Die schweren Gefechte im Kosovo haben international Sorgen ausgelöst: „Die EU verurteilt den abscheulichen Angriff auf das Schärfste“, schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf X, vormals Twitter. Sein Sprecher rief Serbien wie das Kosovo zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Auch US-Außenminister Antony Blinken appellierte: „Wir fordern die Regierungen des Kosovos und Serbiens dazu auf, unverzüglich zum EU-vermittelten Dialog zurückzukehren.“ Es handelt sich um den schwersten Zwischenfall im angespannten Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien seit Jahren.
Die Eskalation bahnte sich am Sonntag in den frühen Morgenstunden an. Im überwiegend serbisch bewohnten Norden des Kosovos, in der Ortschaft Banjska, hatte eine Gruppe Bewaffneter eine Polizei-Patrouille angegriffen und dabei einen Polizisten getötet. Die rund 30 Männer waren mit Schnellfeuergewehren, Handgranaten, Jeeps und einem gepanzerten Transportfahrzeug ausgestattet. Später drangen sie mit einem gepanzerten Fahrzeug in ein Kloster ein und verschanzten sich im Hof. Erst am Abend teilte das Innenministerium in Pristina mit, dass die Beamten das Gelände wieder unter Kontrolle hätten. Drei Angreifer wurden getötet. Vier wurden festgenommen.
Einige der festgenommenen Personen würden der kosovo-serbischen militanten Organisation „Zivilschutz“ angehören, sagte Innenminister Xhelal Svecla. Diese wird nach Erkenntnissen kosovarischer Strafverfolger von der serbischen Regierung gelenkt, finanziert und großzügig mit Waffen ausgestattet.
Die kosovarische Regierung machte Serbien verantwortlich. Ministerpräsident Albin Kurti warf Belgrad vor, „terroristische Attacken“ zu unterstützen. Auch die EU hat den Angriff auf die Polizeikräfte als „terroristisch“ verurteilt. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic wies jede Verantwortung zurück. Allein Kurti hätte Schuld an der blutigen Konfrontation. Er würde die Serben im Kosovo provozieren – und wolle Serbien in „einen Krieg mit der Nato ziehen“.
Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 nach serbischen Kriegsverbrechen an der kosovo-albanischen Zivilbevölkerung mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit an. Serbien, Russland, China und fünf EU-Länder tun dies nicht. Belgrad fordert die Rückgabe seiner einstigen Provinz oder zumindest die Zuerkennung des fast ausschließlich von Serben bewohnten nördlichen Landesteils.
Unter der Vermittlung Borrells und des EU-Sonderbeauftragten Miroslav Lajcak verhandeln das Kosovo und Serbien seit mehreren Monaten über eine Normalisierung ihres Verhältnisses. Die Gespräche blieben allerdings bislang ohne Erfolg.