Der grüne Traum vom Regieren

von Redaktion

Ein Plan für die ersten 100 Tage in einer Koalition – CSU lehnt Zusammenarbeit aber ab

München – Die Hände der beiden formen ein gemeinsames Herz – wie sie es schon auf ihrem Wahlplakat tun. Die Sonne strahlt eineinhalb Wochen vor der Landtagswahl in Bayern mit den Grünen-Spitzenkandidaten um die Wette. Der Eisbach rauscht und die Dachterrasse in der Prinzregentenstraße lässt einen über die Dächer Münchens staunen. Harmonie pur. Fast schon schnulzig.

Die Gute-Laune-Show von Katharina Schulze und Ludwig Hartmann hat vor allem ein Ziel: Auf alle kühlen Abfuhren der CSU noch selbstbewusster und fröhlicher kontern. Die beiden haben ein 100-Tage-Programm mitgebracht. Und mit 100 Tage meinen sie: 100 Tage in der Regierung. Damit man gleich weiß, „dass Bayern eine andere Politik bekommt“, sagt Hartmann.

Fast so, als würden sie das Heizungsgesetz ihrer Parteikollegen in Berlin abfedern wollen, setzen die bayerischen Grünen zum Beispiel auf eine kostenlose Klima-Beratung fürs eigene Häuschen. Heißt: „Man hat eine Immobilie, vielleicht auch eine etwas ältere Heizung und man möchte jetzt etwas tun, dann kommt der bayerische Klima-Service zu einem nach Hause und berät einen unabhängig“, sagt Hartmann ganz in bekannter Erklär-Manier von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Hartmann verspricht dazu ein Beratungsangebot, um „die etwas komplizierten Förderanträge auch richtig auszufüllen“. Ein Mini-Seitenhieb Richtung Berlin?

Auch bei anderen Maßnahmen wollen die Grünen mit kostenlosen Angeboten punkten: Mittagessen für Schüler sowie Bus und Bahn für Kinder und Jugendliche sollen in Bayern kostenfrei werden. Bayerische Babys könnten zur Geburt Eigentümer werden – von Windrädern oder Fotovoltaik-Anlagen des Freistaats. Ein Klimasparbuch soll dafür mit 3000 Euro aufgefüllt werden.

Außerdem ist ein „Notfallplan zum Schutz unserer Demokratie“ vorgesehen. Ähnlich wie der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigte „Deutschland-Pakt“ sollen beim Notfallplan überparteilich Maßnahmen entwickelt werden. Die ersten Einladungen an Vereine, Organisationen und Bündnisse seien schon rausgegangen, sagt Schulze. Willkommen sind alle demokratischen Parteien. „Da gehören alle dazu außer die AfD“, sagt Schulze.

14 Projekte in 14 Wochen sind ambitioniert. Überhaupt fürs Regieren zu planen, ist es auch. Je nach Umfrage wackelt sogar der dritte Platz. Denn teilweise ist die AfD mit 14 Prozent gleichauf mit den Grünen. Der zweite Platz – den die Grünen 2018 belegten – geht vermutlich an die Freien Wähler. Und dann ist da noch das ewige Damoklesschwert, das über dem Grünen-Duo schwebt: Markus Söder (CSU) wird nicht müde, eine Koalition mit den Grünen auszuschließen, spricht ihnen das „Bayern-Gen“ ab. Egal wo, egal wann: Söder beschwört eine bürgerliche Koalition – also eine Fortsetzung mit den Freien Wählern.

Doch Schulze und Hartmann zeigen sich an diesem Tag auf der Münchner Dachterrasse, die Staatskanzlei im Nacken, betont unbeeindruckt davon. „Wir Grüne meinen es ernst“, sagt Schulze. Für Hartmann ist klar: „Auf eins ist bei Söder Verlass: Dass er seine Meinung ändern kann.“ In Anlehnung an eine Aussage des ehemaligen CSU-Chefs Erwin Huber legt er noch nach: „Wir sind die politische Kraft, die Markus Söder aus der Zwangsjacke Aiwanger befreien kann.“ LEONIE HUDELMAIER

Artikel 1 von 11