München – Löwen-Attacke im Landtag: Das Wappentier springt über die Wände des Parlaments, knurrend und fauchend – jedenfalls virtuell. Im neuen Besucherzentrum des Landtags toben die Löwen als Video-Animation auf den halbrunden Wänden. Das nagelneue Foyer wird so zum 180-Grad-Kino. Es soll Besucher schon bei der Ankunft begeistern – ein bisschen Löwen und Lichtschau, auf den zweiten Blick dann viel Landespolitik.
Am Mittwoch steht Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) inmitten der Beamer-Show. Sie eröffnet das Besucherzentrum im Maximilianeum. Stolz, sehr stolz, weil das 10-Millionen-Projekt trotz Corona-Pause und Baupreisexplosion im Zeit- und Kostenrahmen blieb. Sie erhofft sich ein noch offeneres Parlament. „Gerade in aufgeregten Zeiten wie diesen ist es eine besondere Notwendigkeit, Nähe zu den Bürgern zu gewinnen.“
Genau darum geht es nämlich beim Umbau des altehrwürdigen Maximilianeums, 1857 errichtet: Der Zugang ins Machtzentrum der bayerischen Politik soll leichter und schöner werden. 60 000 Besucher kommen jedes Jahr in den Landtag, viele Schulklassen und oft Busladungen von „normalen“ Leuten, eingeladen von ihrem lokalen Abgeordneten. Der Weg führte bisher über die vergleichsweise karge Ostpforte und eine recht milde Sicherheitskontrolle auf verwinkelten Pfaden ins Innere.
Mit dem neuen Foyer werden die Besucherströme über die prächtige Westfassade (zu Stadt und Isar hin) ins Haus geführt, die Sicherheitsanlagen sind jetzt hochmodern. 300 Besucher auf einmal? Auch kein Problem. Fertig ist der Umbau aber noch nicht. Vor der Fassade wird noch gebaut. Bis der neue Aufzug fertig ist, dürfte es 2030 sein.
Für den Landtag geht es um mehr als nur ein bisschen Eigen-PR. Das Parlament zu öffnen, ist Aigner wie schon ihrer Vorgängerin Barbara Stamm ein ehrliches Anliegen. Ausnahmsweise auch keines, das mit der Wahl zusammenhängt, sondern überparteilich getragen ist. Das Parlament besuchen, anfassen zu können, soll die Entfremdung zwischen Politik und Bürger bremsen. Man müsse ein „besseres Verständnis“ schaffen von dem, „was wir hier den ganzen Tag machen“, sagt Aigner.
Das Bauprojekt wird in der Sommerpause nach einer Legislaturperiode fertig, die für den Landtag in Teilen nicht gut lief. In der Corona-Phase war das Parlament praktisch monatelang wie abgeschottet, ein Resthäuflein Abgeordneter kauerte hinter Plexiglasscheiben. Politisch wurde es durch die Regierung überragt, die zentralen Corona-Regeln wurden in der Staatskanzlei festgezurrt und den 205 Abgeordneten zur Kenntnis gegeben.
Seit 2018 hat sich mit dem Einzug der AfD außerdem das Klima verschärft im Maximilianeum. Etliche Skandale und Eklats mischten sich ins Bild des Landtags, dazu Rügen und Rüpeleien im Plenum. Und: Auch die bundesweit beachtete Maskenaffäre hat das Image der Parlamentarier angekratzt, wenngleich es mit CSU-Mann Alfred Sauter nur einer der ihren war, der sich mit Schutzausrüstungs-Deals in der Not eine goldene Nase verdiente.
Ein schmuckes Foyer, so teuer es auch ist, wird all das allein nicht heilen. Aber sich, wenn es gut läuft für Aigner und ihre Präsidiumskollegen aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP, in eine Reihe von Vorhaben einreihen, um den Landtag zu stärken und sauber zu halten. Es soll ja künftig Geldstrafen geben für Abgeordnete, die sich daneben benehmen. Schon in Kraft getreten sind schärfere Transparenzregeln für Nebenjobs und ein Lobby-Register. Weil die AfD neulich auf Steuerkosten Burschenschafter zu einer „Festkneipe“ in den Landtag lud, schärft Aigner außerdem die Hausordnung nach. „Verfassungsfeindliche Gesinnungstrinker“ wolle man draußen halten, sagte sie damals. Die neue Offenheit hat Grenzen.