VON GEORG ANASTASIADIS
Lange haben Deutschlands Industriebosse gute Miene zur Energiepolitik der Ampelregierung gemacht. Man wollte es sich mit den neuen Entscheidern in Berlin nicht verderben. Auch als Putin die Ukraine überfiel und Wirtschaftsminister Robert Habeck trotz drohender Stromknappheit die Abschaltung der drei letzten Atommeiler vorantrieb, blieb der Aufschrei aus der Wirtschaft aus.
Jetzt, ein Jahr später, ist auf dem „Chemiegipfel“ der Katzenjammer groß, auch als Spätfolge von Fehlern, die bereits der unionsgeführten Vorgängerregierung unterliefen. Immer verzweifelter und ultimativer werden die Rufe der Konzernlenker nach Staatsknete für billigeren Strom und die Warnungen vor einem Massensterben in der Chemiebranche. Diese sind berechtigt. Ebenso berechtigt aber sind die Sorgen des Kanzlers und seines FDP-Finanzministers vor einem Finanzloch ohne Boden. Die optimistischen Strompreisprognosen des grünen Wirtschaftsministers Habeck für die nächsten Jahre klingen wie das Pfeifen im Walde. Ebenso gravierend ist der Einwand, dass eine Stromsubvention für wenige Große heillose Wettbewerbsverzerrungen heraufbeschwört und die vielen Kleinen ins Hintertreffen bringt, die die Party bezahlen sollen.
Ein plausibler Kompromiss wäre, die Stromsteuer – wie vom Bundesverband der Deutschen Industrie nun vorgeschlagen – für alle auf das EU-zulässige Maß zu senken. Auch das wird sehr teuer, aber hoffentlich lehrreich: Konzerne und Politiker, die beim Industriestrompreis nur zu gern die Spendierhosen anziehen möchten, müssen kapieren, dass sie am Ende die Zeche für die Umsetzung weltfremder Pläne für die grüne Transformation nicht unbegrenzt dem Staat, sprich den Steuerzahlern, weiterreichen können. Auch das Geld für die Dekarbonisierung muss erst verdient werden.
Georg.Anastasiadis@ovb.net