München – Eins ist sicher: Beim Gebiss hört der Spaß für ihn auf. Er schimpft über Ukrainer, die in „Nobelkarossen“ beim Zahnarzt vorführen und sich „auf Kosten deutscher Beitragszahler die Zähne richten lassen“, während Deutsche ihr Essen nicht mehr zahlen könnten. Schuld sei die Ampel: Die liefere Ausländern ein „Rundum-Sorglospaket“.
Wütend wie immer rief der bayerische AfD-Mann Martin Sichert diese Sätze Ende 2022 ins Bundestagsplenum. Eigentlich müsste man sie nicht wieder hervorkramen, wenn da nicht Friedrich Merz wäre. Als der CDU-Chef am Mittwochabend in einer Diskussionsrunde bei „Welt TV“ saß, klang er nämlich sehr ähnlich, bloß dass es bei ihm nicht um Ukrainer, sondern um abgelehnte Asylbewerber ging. Die, sagte er, bekämen „die volle Heilfürsorge“. „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“
Die Parallele mag Zufall sein. Dass der Chef der deutschen Christdemokraten so spricht und argumentiert wie die Konkurrenz von Rechtsaußen, lässt die Gemüter aber nicht kalt. Das sei „erbärmlicher Populismus“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag. „Wer so spricht, spielt Menschen gegeneinander aus und stärkt nur die AfD.“ Grünen-Chefin Ricarda Lang erklärte, das sei des „Vorsitzenden einer Volkspartei unwürdig“.
Merz’ Satz ist nicht nur inhaltlich fragwürdig (siehe Kasten). Er reiht sich auch ein in eine Serie von Äußerungen, mit denen der 67-Jährige regelmäßig aneckt. Vor einem Jahr warf er Ukraine-Flüchtlingen „Sozialtourismus“ vor, entschuldigte sich aber später. Er nannte Schüler mit Migrationshintergrund „kleine Paschas“ und äußerte sich dann mehrfach so zur AfD (und einer kommunalen Zusammenarbeit), dass man ihn zumindest falsch verstehen konnte. Jüngst befand er im Bierzelt, nicht Kreuzberg sei Deutschland, sondern das Gillamoos. Selbst sein Parteifreund, Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegener, nahm ihm das krumm.
Sind das Ausrutscher oder Testballons? Merz selbst sagte beim CDU-Grundsatzkonvent im Juni: „Wir müssen auch in der Lage sein, mal Probleme zu adressieren. Auch mal mit Formulierungen, die nicht jedem gefallen.“ Die Aufregung von links ist ihm damit stets gewiss, aber auch in der Union sind manche zunehmend genervt, sich für die verrutschten Sätze des Chefs rechtfertigen zu müssen.
Diesmal allerdings sind jene lauter, die ihm zustimmen. „Friedrich Merz spricht das an, was die Menschen auf der Straße sprechen“, sagte der stellvertretende CSU-Chef Manfred Weber im Deutschlandfunk. Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge sagte der „Rheinischen Post“, Merz habe Recht. „Die scheinheilige Empörung aus Reihen der Ampel sagt viel darüber aus, wie mit kritischen Meinungen umgegangen wird.“ Dass Arzttermine wegen der Belastung durch Migranten knapper würden, sei real.
Die akute Aufregung dürfte schnell verflogen sein, der Satz selbst bleibt mit Sicherheit hängen. Vor allem bei denen in der Union, die Merz die Kanzler-Eignung absprechen.