VON GEORG ANASTASIADIS
Was genau wollte Friedrich Merz uns mit seinem Die-lassen-sich-die-Zähne-neu-machen-Satz sagen? Dass das Laufenlassen einer wilden Migration die Sozialsysteme und die soziale Infrastruktur sprengt? Dass viele Migranten kommen, weil sie von den berühmten Segnungen unseres Wohlfahrtsstaats profitieren wollen? Dass Eltern keine Kitaplätze für ihre Kinder finden, weil andere ihnen die Plätze wegnehmen? Dass einheimische Wohnungssuchende verzweifeln, weil Vermieter lieber Ukrainerinnen auswählen, für die das Amt verlässlich die Miete zahlt?
Mit all dem hätte der CDU-Chef recht. Aber er wählte zum Beweis für seine Asyl-Anklage ein anderes Beispiel, eines, das so giftig ist, dass es Pauschalisierungen und Halbwahrheiten nicht gut verträgt. Für die von Merz beklagte zahnärztliche Generalsanierung für Asylbewerber mögen sich Beispiele finden lassen. Doch die Gesetzeslage ist differenzierter. Sie sieht Leistungen für Asylbewerber nur für Notfälle oder nach 18-monatiger Karenzzeit vor. Bessergestellt sind nur Ukrainer, die mit der Ankunft in Deutschland sofort bürgergeld- und fürsorgeberechtigt sind, als ob sie Jahre ins System eingezahlt hätten. Das erklärt, warum viele Ukrainer(innen) bei uns nicht arbeiten: Der Staat zahlt ihnen oft mehr, als sie durch ein reguläres Markteinkommen erzielen können. Da muss der Gesetzgeber noch mal ran.
Merz hat die Sonderbehandlung der Ukrainer mal als „Sozialtourismus“ gebrandmarkt – und wurde schon damals der komplexen Realität der Kriegsopfer nicht gerecht. Klar: Merz will Klartext sprechen, sich von SPD und Grünen nicht den Mund verbieten lassen, um verärgerte Bürger nicht rechten Stimmenfängern zu überlassen. Doch von einem Kanzler im Wartestand muss man erwarten können, dass er seine Sätze so wählt, dass seine Partei sie nicht anderntags wieder zurechtrücken muss und dass die Republik statt über die falsche Asylpolitik der Regierung nicht wieder tagelang über die sprachliche Treffsicherheit des Oppositionsführers streitet.
Georg.Anastasiadis@ovb.net