Rom und Berlin ringen um Seenotrettung

von Redaktion

Die Außenminister Baerbock und Tajani signalisieren zumindest Willen zur Einigung

Berlin – Es gab schon entspanntere Begegnungen zwischen deutschen und italienischen Außenministern. Als Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag ihren Amtskollegen Antonio Tajani empfängt, liegt Ballast auf dem Treffen. Denn zwischen Berlin und Rom hängt gerade der Haussegen schief. Deutschlands Verhalten bringe Italien „in Schwierigkeiten“ hatte sich Verteidigungsminister Guido Crosetto jüngst sogar beklagt.

Dass es zwischen Deutschland und Italien auch mal kracht, ist nichts grundsätzlich Neues. Das war schon Anfang des Jahrtausends so, als der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) seinen geplanten Urlaub an der Adria nach Pöbeleien eines Italienischen Staatssekretärs gegen deutsche Touristen absagte – eine Staatsaffäre. Und es galt auch noch im vergangenen Sommer, als der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Italiens Tage als Urlaubsland für gezählt erklärte – wohl gemerkt aus dem eigenen Italienurlaub. Wer so nah zusammenlebt wie Deutschland und Italien, der tritt sich eben auch mal auf die Füße.

Nur dass der Hintergrund diesmal ein ernsterer ist. In einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz – beim Schröder-Eklat 2003 übrigens als SPD-Generalsekretär auch schon mit dabei – hat sich Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nämlich deutlich darüber beschwert, dass die deutsche Regierung Organisationen finanziell unterstützen will, die sich in Italien um Bootsmigranten kümmern. Man betrachte das als Einmischung in inneritalienische Angelegenheiten, so Meloni. Baerbocks Auswärtiges Amt verwies hingegen darauf, dass ein Beschluss des Bundestags umgesetzt werde. Das erste Geld – jeweils zwischen 400 000 und 800 000 Euro – solle „in Kürze“ ausgezahlt werden – an ein Projekt zur Versorgung an Land und ein Projekt zur Rettung auf See.

Für Meloni ist das Thema auch deswegen besonders heikel, weil sie ihren Wählern versprochen hat, die Migrationszahlen zu reduzieren – stattdessen steigen diese aber immer weiter an.

Melonis Außenminister bringt dann auch am Donnerstag deutlich rüber, dass Italien am liebsten eine Handhabe gegen die Seenotretter hätte. Doch er deutet auch an, dass Rom nicht an einer Eskalation des Streits gelegen ist. Tajani distanziert sich von Äußerungen des Lega-Abgeordneten Andrea Crippa, der von einer von Deutschland geförderten „Invasion Italiens“ gesprochen hatte.

Baerbock bleibt zwar ebenfalls bei ihrer Linie. „Das Sterben im Mittelmeer darf niemals normal, darf niemals zum europäischen Alltag werden“, sagt sie. Die deutsche Außenministerin dankt aber auch der italienischen Küstenwache, die viele Menschen vor dem Ertrinken gerettet habe. Allerdings hätten auch freiwillige Seenotretter eine lebensrettende Aufgabe.

Auch Tajani betont, Seenotretter könnten auf dem Mittelmeer aktiv sein. Es gehe aber nicht, dass Italien zum Anlandungsort für alle Migranten werde, selbst wenn viele eigentlich in andere Länder wollten. S. HORSCH

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