Neuer Chefarzt für die Herzkammer

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH UND CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Bei Parteitagsreden wird viel gelobt und viel geklatscht. Routine ist das, und oft nur Fassade. Eines ist aber aufgefallen bei den letzten CSU-Delegiertentreffen: Wenn Klaus Holetschek erwähnt wird, brandet in der Halle warmer Beifall auf, aus allen Ecken, nicht nur wo seine schwäbischen Freunde sitzen. Die Partei scheint ihren Minister zu mögen, obwohl er zweieinhalb Jahre das superkontroverse Thema Corona zu verantworten hatte.

In der Politik ist das keine harte Währung. Aber für Holetschek, 58, dürfte es sich als hilfreich erweisen. Es sieht alles danach aus, als würde der Jurist, Minister für Gesundheit und Pflege, sofort nach der Wahl an die Spitze der Landtagsfraktion wechseln. Das ist eine Schlüsselstelle, für die es nützlich ist, in allen Ecken der Partei, allen Regionen und Grüppchen, respektiert zu sein. „Es läuft alles auf ihn zu“, heißt es seit Wochen in der Fraktion.

Der Job wird frei, weil Thomas Kreuzer (64) nicht mehr zur Landtagswahl antritt. Holetscheks Name fiel früh, weil sein Profil passen würde. Er hat das Vertrauen von Regierungschef Markus Söder, beide kennen sich sehr gut schon aus der Jungen Union. Er gilt aber als unabhängig genug, um Widerworte zu geben.

In ihrem Selbstverständnis wäre die Fraktion gerne künftig ein stärkerer Machtfaktor als zuletzt. Wie früher mal eine „Herzkammer“ der CSU zu sein, eigene Ideen zu entwickeln, die Regierung nicht nur zu unterstützen, sondern auch zu kontrollieren und in aller Loyalität anzutreiben – das ist das Ziel auch jüngerer und künftiger Abgeordneter.

Andere Kandidaten für den Job, der wie ein Ministeramt dotiert ist, aber viel mehr Einfluss bringen kann? Gibt es. Auch aus dem Kabinett, die engen Söder-Vertrauten Albert Füracker und Florian Herrmann werden genannt. Aus dem Kreis der führenden Abgeordneten hat der Oberpfälzer Tobias Reiß (55) intern Interesse signalisiert. Er sammelte mit einer kämpferischen Rede im Zwischenausschuss, mitten in der Aiwanger-Affäre, Lob.

Holetschek selbst schweigt zu möglichen Ambitionen. Man kann sich vorstellen, dass ihn der Posten reizt. Man kann sich auch vorstellen, dass dem langjährigen Gesundheitspolitiker der Abschied vom Ministeramt nicht leicht fallen würde, in dem es für ihn stetig nach oben ging.

Holetscheks Aufstieg in München begann spät. Er war zwar schon Bundestagsabgeordneter (1998 bis 2002) und Bürgermeister (in Bad Wörishofen 2002 bis 2013) – doch erst 2020 holte ihn Söder als Bau-Staatssekretär in die Regierung. Nur wenig später wurde er als Verstärkung für die strauchelnde Ministerin Melanie Huml ins Gesundheitsressort beordert – zunächst auch dort als Staatssekretär. Als Söder Huml dann umsetzte, machte er Anfang 2021 Holetschek zum Minister. Der Allgäuer – verheiratet, zwei erwachsene Kinder – gab mitten in der Pandemie schnell eine gute Figur ab. Im Gesundheitswesen hört man bis heute überwiegend anerkennende Worte. Gut informiert, hört zu, packt an.

Sein Profil schärfte er, indem er sich als Gegenspieler zu Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Szene setzte. Schon in der Endphase der Pandemie rasselten beide Minister, die sich persönlich übrigens duzen, mehrmals zusammen. Bei der Krankenhausreform oder der Cannabis-Legalisierung wird bis heute gestritten.

Zudem hat Holetschek seine Hausmacht in der CSU zuletzt ausgebaut. Seit Juni führt er als Vorsitzender in Schwaben einen der mächtigen Bezirksverbände. Auch der Regionalproporz – die Verteilung von Machtpositionen auf Regionen – würde somit passen, wenn Holetschek an die Fraktionsspitze rückt.

Entschieden wird die Personalie übrigens eilig. Der Zeitplan für die Stunden nach der Wahl ist eng. Am Montag, 10 Uhr, kommt der Parteivorstand zusammen, später die wichtigsten Bezirksverbände. Für Dienstag, 11 Uhr, ist die erste Fraktionssitzung mit Neuwahl angesetzt. Söder schlägt einen Namen vor.

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