München/Hamburg – Es geht an diesem Tag um Geschlossenheit, und damit sind nicht nur Ost und West gemeint. Als Frank-Walter Steinmeier rund um den Tag der Deutschen Einheit über den Zustand des Landes spricht, richtet er den Blick zwar auch auf die vergangenen 33 Jahre. Er spricht von Unwuchten und fehlendem Verständnis auf beiden Seiten. Aber um Einheit geht es dem Bundespräsidenten auch bei der akut größten Herausforderung.
In der Migrationsdebatte forderte Steinmeier in der ARD alle demokratischen Parteien zur Zusammenarbeit auf. Derzeit sei die Politik im Wahlkampfmodus, danach aber sei es höchste Zeit, an einem Strang zu ziehen. „Ich hoffe sehr, wenn das hinter uns liegt, dass dann wieder ein Klima entsteht, in dem die demokratischen Parteien untereinander zu Verständigungen kommen.“
Angesichts anhaltend hoher Zahlen müsse die illegale Migration eingedämmt werden: „Wir brauchen eine Begrenzung, das ist keine Frage.“ Er sprach sich für die Prüfung von Asylgesuchen von Menschen, die keine oder kaum eine Chance auf Asyl haben, bereits an den EU-Außengrenzen aus. Die Situation erinnere ihn an die Zeit zwischen 1992 und 1993. Es habe damals „Überlastungssignale“ von Bürgermeistern und Oberbürgermeistern gegeben, die dazu geführt hätten, „dass die Politik handelt“. Diese Erwartung hätten Menschen auch derzeit.
Dazu passt eine Umfrage des Forsa-Instituts für RTL und n-tv. Knapp drei Viertel der Bevölkerung (73 Prozent) wünschen sich demnach eine Kooperation von Regierung und Union. Wenig Hoffnung macht da die Auskunft von CDU-Chef Friedrich Merz im „Handelsblatt“, er habe keine Reaktion auf sein Angebot zur Zusammenarbeit erhalten: „Aus dem Kanzleramt kommt zurzeit nur Schweigen.“
Dass die Ampel in dieser Frage liefern muss, ließ zuletzt auch Olaf Scholz anklingen. „Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland streben, ist im Moment zu hoch“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Bei einem Bürgergespräch deutete er an, dass es in Kürze weitere Migrationsabkommen geben werde. Aktuell besteht lediglich eines mit Indien.
„Da sind schon viele Töne gespuckt worden, aber wir machen das jetzt echt und haben das sehr weit vorangetrieben“, ließ Scholz wissen. Das Bundesinnenministerium nennt sechs Kandidaten, mit denen es vertrauliche Gespräche gebe: Georgien, Moldau, Kenia, Kolumbien, Usbekistan und Kirgistan. Bis auf Georgien zählen sie allerdings nicht annähernd zu den Hauptherkunftsländern.
Der Migrationsexperte Gerald Knaus kritisierte sowohl Maßnahmen wie die Einführung von Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen als auch die derzeitigen EU-Gespräche. Binnengrenzkontrollen würden die Zahl ankommender Migranten nicht senken, „denn sie bleiben ja in der EU“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Wir brauchen eine andere Politik, die dazu führt, dass grundsätzlich weniger Menschen irregulär in die EU kommen.“ Sein Fazit klingt allerdings nicht gut: „Fortschritte in der Politik der EU sehe ich nirgends.“ mit dpa