VON GEORG ANASTASIADIS
Besonnenheit und Nervenstärke sollten die Markenzeichen der Kanzlerschaft von Olaf Scholz werden. Der richtige Mann auf Deutschlands Kommandobrücke in Kriegszeiten, das war die Botschaft. Das funktionierte, aber nur für einen kurzen geschichtlichen Moment nach Putins brutalem Angriff auf die Ukraine. Dann kam die Wirtschaftskrise, der Ärger über das Heizungsgesetz und das Asyldrama. Scholz zögerte, und plötzlich war der Kanzler in den Augen der Bundesbürger nicht mehr der Fels in der Brandung, sondern nur noch der Führungsverweigerer.
Für die SPD wird es dafür in Hessen und Bayern ein Scherbengericht geben wie nie zuvor für eine Kanzlerpartei zur Regierungshalbzeit. Fast ein Viertel der Deutschen ist nächstes Wochenende zur Stimmabgabe aufgerufen. Die alte Volkspartei SPD, die sich zu lange von den Grünen und ihrer Klima-Apokalyptik vor sich hertreiben ließ, dürfte bei dieser kleinen Bundestagswahl laut allen Umfragen auf Platz vier oder fünf durchgereicht werden. Nicht nur in Bayern, wo die Genossen schon lange nicht mehr die Sprache der Menschen sprechen, sondern auch im Stammland Hessen, wo unter der Spitzenkandidatin Nancy Faeser eine historische Verzwergung droht.
Der Kanzler und seine SPD werden, wenn sie nicht schmachvoll als diejenigen in die Geschichte eingehen wollen, die den Rechtspopulisten den Weg an die Macht ebneten, darauf reagieren müssen. Vor genau 20 Jahren verkündete Gerhard Schröder in ebenso verzweifelter Lage seine Agenda 2010. Diesmal wird Scholz tatsächlich den „Wumms“ liefern müssen, von dem er seit seinem Amtsantritt immer nur schwadronierte und den jetzt sogar sein sonst wenig visionärer Parteifreund und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Migrationspolitik von ihm fordert. Deutschland braucht ein Programm zur Wiederbelebung der Wirtschaft, den Asylkompromiss mit der Union und die Entlassung einer Ministerin, die nicht Teil der Lösung, sondern des Problems geworden ist. Darunter wird Scholz es nicht machen können, wenn er das Land, seine Partei und sich selbst vor dem Absturz bewahren will.
Georg.Anastasiadis@ovb.net