München – Im Streit um Asylbewerber und Jobs macht ein kleines Hilfsverb den großen Unterschied: Dürfen sie bald arbeiten – oder müssen sie? Während SPD und Grüne Beschäftigungsverbote für Migranten streichen wollen, um ihnen einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen, würden Teile der Union diesen Schritt lieber gleich überspringen – und stattdessen eine Arbeitspflicht einführen.
In Österreich ist das bereits in Planung. Die Flüchtlingsreferenten der Bundesländer beraten derzeit mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), wie man Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten könnte – also zum Beispiel zum Laubfegen im Park oder zum Putzen beim örtlichen Verein. Laut Karner geht es dabei um eine Gegenleistung, die Migranten für ihre Grundversorgung leisten sollen (siehe Interview unten). Heißt im Umkehrschluss: Wer nicht arbeitet, wird weniger oder gar nicht versorgt.
Markus Söder, der traditionell immer wieder mal für Polit-Inspirationen nach Österreich schielt, hat ähnliche Andeutungen gemacht. Mitte September hatte der Ministerpräsident angekündigt, dass Asylbewerber in Bayern gemeinnützige Arbeit leisten sollen, bis ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist – er forderte, das auch deutschlandweit umzusetzen. In Baden-Württemberg haben CDU-Landräte bereits im Juli eine Arbeitspflicht für Asylbewerber gefordert. In vielen gemeinnützigen Organisationen fehlten Arbeitskräfte – zudem könnten ein geregelter Tagesablauf und bessere Sprachkenntnisse erreicht werden. Nur eben nicht auf freiwilliger Basis.
„Ein Angebot auf Arbeit muss Teil des Integrationsprozesses sein“, sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. „Wer diese Arbeit verweigert, muss mit Leistungskürzungen rechnen.“ Wie diese Leistungskürzungen aussehen sollten, kann niemand so richtig erklären: Denn laut dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen die Sozialleistungen bereits jetzt gerade das Existenzminimum abdecken – und das ist verfassungsrechtlich geregelt.
„Die Frage ist: Wie will man sanktionieren, wenn jemand nicht arbeiten will?“, sagt Grundrechtsexperte Walther Michl von der LMU München. In der EU-Aufnahmerichtlinie sei genau geregelt, inwiefern Leistungen für Asylbewerber eingeschränkt werden können. „Selbst bei groben Verstößen – also wenn jemand in der Einrichtung randaliert oder jemanden vergewaltigt – dürfen sich die Sanktionen nicht auf Grundbedürfnisse wie Unterbringung, Verpflegung oder Kleidung beziehen.“ Die Pläne in Österreich seien deshalb „extrem heikel“, sagt der Verfassungsrechtler.
Die Ampel reagiert mit gemischten Gefühlen. Während sich SPD-Parteichef Lars Klingbeil gesprächsbereit gegenüber dem Unionsvorstoß gezeigt hat, gibt es vor allem aus den Reihen der Grünen Kritik. „Das ist Populismus im Endstadium“, sagt Erik Marquardt, Grünen-Abgeordneter im Europaparlament. „Wie kann man einerseits eine Arbeitspflicht fordern und andererseits an einem Beschäftigungsverbot festhalten wollen?“ Man müsse Flüchtlingen den Zugang zur Arbeit erleichtern, meint Marquardt. Bisher gilt für Asylbewerber ein Arbeitsverbot von mindestens drei Monaten, in der Praxis zieht sich das meist noch länger. Eine Arbeitspflicht sei nicht nur „verfassungsrechtlich bedenklich, sondern auch mit EU-Recht nicht vereinbar“.
Auch die Grünen in Österreich blockieren. Laut der Grünen-Abgeordneten Faika El-Nagashi würden es die Pläne der ÖVP nicht durch den Nationalrat schaffen. „Österreich wird diese Linie nicht fahren.“ Eine Arbeitspflicht werde es mit den Grünen als Koalitionspartner nicht geben, verspricht sie. Der Vorschlag sei „reine Stimmungsmache“ – und in der Praxis nicht realisierbar.