München – Es ist schon fast dunkel, da blitzt sie kurz auf, die heile, grüne Welt. Vor der Bühne drückt sich ein Mensch im Eisbär-Kostüm durch die Reihen, umarmt Zuhörer, verteilt Flyer. Oben auf der Bühne stehen sie derweil eng und lächelnd zusammen: Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, zwischen ihnen Grünen-Chefin Ricarda Lang. „Deutschland und Bayern müssen gerechter werden“, hat Lang zuvor, die Stimme schon heiser geredet, über Münchens Odeonsplatz gerufen. „Ihr könnt sie gerechter machen.“
Es sind beinahe normale Bilder am Ende eines strapaziösen, oft harten Wahlkampfes. Dass für Bayerns Grüne längst nicht alles so heil ist, wie es in diesem Moment scheint, ist auch am Donnerstagabend zu sehen. Das Interesse an der Abschlusskundgebung ist überschaubar, dafür grölen ein paar Störer immer wieder laut in Richtung Bühne. „AfD wählen, Aiwanger muss her“, ist da zu hören. Und vieles, das man lieber nicht zitiert.
Solche Anfeindungen sind nicht neu, im Gegenteil: An diesem Abend fliegen nur Schmähungen und Schimpfworte, in diesem Wahlkampf waren es auch schon mal Steine. Die Reaktion ist umso klarer, verunsichern lassen will sich niemand. „Wenn Steine fliegen, werden wir nicht aufhören“, ruft Lang, „und wenn Trillerpfeifen rausgeholt werden, kämpfen wir weiter.“
Die Grünen-Chefin ist zur Unterstützung extra aus Berlin angereist. Sie spricht über Klimaschutz, den Wert des Handwerks, Migration. Ja, es gebe Probleme, sagt sie. „Aber die werden nicht mit Scheinlösungen und nicht mit Hass gelöst.“ Dann spricht Lang die AfD an („Diese Partei interessiert sich einen Dreck für den kleinen Mann“) und kommt auch auf Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu sprechen. „Es ist Zeit, den Populismus in die Mottenkiste zu packen.“ Soll wohl heißen: Mit den Grünen in der neuen Staatsregierung.
Dass das ziemlich unrealistisch ist, dürfte sich inzwischen auch bis nach Berlin herumgesprochen haben. Erstens hat Söder Schwarz-Grün ähnlich oft ausgeschlossen wie seine Kanzlerambitionen. Zweitens ist die Stimmung eine andere als vor fünf Jahren. Damals zeigte sich Söder offen, aufstrebende Grüne fuhren mit 17,6 Prozent ein Rekordergebnis ein. Inzwischen haben die Regierungsmonate in Berlin tiefe Spuren hinterlassen und die Grünen auch in Bayern gestutzt. In Umfragen rangeln sie mit Freien Wählern und AfD um Platz zwei hinter der CSU.
Spitzenkandidatin Schulze bemüht sich, ihren Anhängern auf den letzten Metern noch mal Mut zu machen. „Es braucht ein grünes Zugpferd gegen den schwarzen Stillstand“, ruft sie ins Mikro und fordert die Anwesenden dazu auf, Freunde und Familie zur Wahl zu bewegen. Hartmann, der nachdrücklich für mehr erneuerbare Energien wirbt, sagt, auch ein paar Stimmen könnten einen Unterschied machen. Es klingt nach viel Zweckoptimismus – und mäßiger Hoffnung.
Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth spricht auf dem Odeonsplatz, auch sie ist am Ende heiser. Dieser Wahlkampf sei „ein Trauerspiel“ gewesen, sagt Roth, verweist auf die Erding-Demo, und die inzwischen berüchtigten Aiwanger-Sätze. Sie sorge sich ernsthaft um die Demokratie, die zwar sehr stark, aber „nicht immun“ sei. „Wir wollen in einem Bayern leben, in dem niemand Angst haben muss“, ruft sie dann noch. Und hinten grölen sie wieder. MARCUS MÄCKLER