Aufbäumen im Endspurt

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Wenn da irgendwo Unsicherheit ist – sie jubeln, klatschen, trampeln sie weg. Winken mit den weißblauen Wimpeln, schwenken die vorbereiten Söder-Plakate, stellen sich auf zum Spalier. 600 drängen sich in den Saal, um am Ende dieses Wahlkampfs etwas herzuzaubern, was zuletzt nicht immer in der CSU da war: Zuversicht, vereinzelt sogar Euphorie. „Anpacken statt ankleben“, steht auf den T-Shirts.

48 Stunden vor Schließung der Wahllokale trifft sich die CSU noch mal zur Kraftdemonstration in einem Münchner Festsaal. Markus Söder ist da, natürlich, es ist sein alles entscheidender Wahlkampf. Und Hendrik Wüst, der Ministerpräsident des zumeist befreundeten Landes NRW, Landeschef der zumeist befreundeten CDU. Wüst schaut von der Bühne runter: „Genauso sehen glückliche Menschen aus. Ist doch richtig?“

Ob und wie glücklich, wird sich 48 Stunden später weisen. Aber kampfesmutig, das gewiss. Für die letzten Meter mobilisiert die Union auch inhaltlich alles, was die Basis aufpeitscht, was sich kurz erklären lässt. Vor allem: Attacke. „Für ein ampelfreies Bayern“ kämpfe man, ruft Wüst, gegen die „rostige Regierungsampel“, auch wenn er daheim mit den Grünen bestens regiert. CDU-Chef Friedrich Merz, per Video kurz eingespielt, lobpreist den „bayerischen Löwen, das Schreckgespenst der Ampel“. Söder warnt vor Stimmen an die „Kremlknechte“ der AfD, von denen er sich erneut knallhart abgrenzt: „Wenn man die Ampel wirklich ärgern will, ärgert man sie am besten mit der CSU.“

Das zündet hier drin. Wüst in einen Saal zu holen, ist für die CSU eh eine stabile Wahl. Die letzten Schlusskundgebungen waren schwierig für die Partei. 2017 wurde Angela Merkel auf dem Münchner Marienplatz von AfD-Aktivisten ausgepfiffen und niedergebrüllt. 2018 reiste Österreichs Kanzler Sebastian Kurz an, der später im Affärensumpf versank. 2021 dann nahm die CSU alle Schauspielkunst zusammen und ließ Armin Laschet auf der Schlusskundgebung hochleben, mit Böllerschützen und Defiliermarsch. „Armin und Markus, das wird ein tolles Team“, rief Laschet fröhlich.

Nun ja. Bei Wüst sind solche Verrenkungen unnötig. Ehrlich herzlich wird er in Bayern empfangen, nimmt sich satte anderthalb Tage Zeit: Auftritte in Ingolstadt, Besuch bei einem Schäfer in Eichstätt, in Nürnberg Schäufele und alkoholfreies Weißbier mit Söder, Spaziergang durch die Altstadt, Selfies, dann nach München. Ob beide Rivalen sind oder mal werden für einen Job in Berlin, ist bei CSU-Umfragewerten von 36, 37 Prozent keine große disharmonische Frage.

Neues ankündigen für Bayern kann Söder in der Phase nicht mehr. Ein paar Nadelstiche gegen die Freien Wähler gehen aber. Etwa der Hinweis, der zuständige Wirtschaftsminister (der Name Aiwanger fällt nicht) sei leider inhaltlich nicht so bei Hightech-Agenda und Raumfahrtprogramm angekommen, „da muss man nach der Wahl a bisserl umstrukturieren“.

Aufbäumen im Endspurt also, kein Pflichtabspulen. Die CSU weiß, dass sie noch weit über ein Drittel der Wähler erreichen kann. Bei der Wahl 2018 hatte das auf den letzten Metern geholfen, der CSU gelang ein Hüpfer im Vergleich zu den Umfragen, ihr historisch schlechtestes Ergebnis zwar, aber mit 37,2 nicht so schlimm wie befürchtet.

Das könnte wieder klappen, Söder mahnt, es gehe nicht um Prozente, sondern um die Stabilität Bayerns. Was aber auffällt: Er nimmt die sieben regionalen Spitzenkandidaten klar in die Pflicht. Am Ende der Rede lässt er sogar fallen, dass fränkische CSU-Größen früher im Norden für oberbayerische Ministerpräsidenten enorm Stimmen holten. Ist das eine Absicherung für den Wahlabend, falls Altbayern schwächelt? Oder einfach nur ein Motivations-Schubser für alle?

Einfacher zu deuten ist eine Geste nachmittags in Nürnberg. Wüst und Söder eilen da zum „Schönen Brunnen“, berühren einen drehbaren Ring. Das soll auch in schwieriger Lage Glück bringen.

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