Washington – Als er sich 2020 um die Präsidentschaft bewarb, gehörte zu seiner Standardrede im Wahlkampf diese Aussage: Wenn er das Sagen habe, werde „kein weiterer Fuß der Grenzmauer“ gebaut werden. Am ersten Arbeitstag ordnete Joe Biden einen Konstruktionsstopp für die verstärkte Grenzbefestigung an, die einst Donald Trump in Auftrag gegeben hatte. Doch nun hat der Demokrat eine spektakuläre Wende vollzogen.
Wie das Heimatschutzministerium bekannt gab, wird das Weiße Haus auf mehr als 30 Kilometern Länge in Texas eine neue Grenzmauer zu Mexiko errichten lassen. Die Baustelle wird im Rio Grande Valley sein, das zu den beliebtesten Stellen für einen illegalen Grenzübertritt gehört. Biden bricht damit sein Wort gegenüber den Progressiven in seiner Partei, die sich für eine unbegrenzte Aufnahme von Migranten aus humanitären Gründen einsetzen.
Ebenso enttäuschend dürfte die Maßnahme für Umweltschutz-Organisationen sein, denn der Beschluss setzt ebenfalls Bundesgesetze und lokale Verordnungen außer Kraft, mit denen bisher in der Region Wasser, Luft und bedrohte Tierarten geschützt worden waren. Die Kosten des Mauerbaus könnten bis zu einer Milliarde US-Dollar betragen, die der Kongress für eine solche Maßnahme zur Verfügung gestellt hatte.
Biden reagiert mit der Kehrtwende aber nicht nur auf massive Kritik der Republikaner, die dem Präsidenten vorhalten, seit Amtsantritt rund sechs Millionen Migranten den irregulären Grenzübertritt gestattet zu haben. In den letzten Monaten hatten sich auch immer wieder die Bürgermeister von demokratisch regierten Metropolen wie New York und Chicago zu Wort gemeldet, da Tausende von Neuankömmlingen die Infrastruktur ihrer Städte strapazieren. Damit mit dem Bau zügig begonnen werden kann, ließ das Heimatschutzministerium jetzt 26 Bundesgesetze außer Kraft setzen.
Umfragen hatten zuletzt auch gezeigt, dass die geringe Zustimmungsquote von Biden – ein gutes Jahr vor den Wahlen halten lediglich 40 Prozent der Bürger seine Politik für gut – auch an der bisher ungebremsten Migration liegt. Am Donnerstag gab es teilweise kuriose und widersprüchliche Aussagen des Weißen Hauses und der Regierungsbehörden zum neuen Mauerbau-Plan. Biden erklärte gegenüber Journalisten, er glaube nicht, dass eine Mauer „effektiv“ sein werde. Sein Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas hatte allerdings am gleichen Tag bereits gesagt, es gebe angesichts der Vielzahl von ungesetzlichen Übertritten eine „sofortige Notwendigkeit“ für den Mauerbau. Zudem kündigte das Außenministerium an, dass die Abschiebung illegaler Einwanderer nach Venezuela wieder aufgenommen werde. Die Behörden in Caracas hätten zugestimmt, zurückgeschickte Staatsangehörige wieder aufzunehmen,
Um die Wende auch im eigenen Lager zu verkaufen, ließ Bidens Sprecherin verlauten, das Geld für einen Mauer-Weiterbau – den der Präsident im Januar 2021 gestoppt hatte – sei 2019 von der Republikaner-Mehrheit im Kongress bewilligt worden und müsse auch für diesen Zweck ausgegeben werden. Man habe vom Kongress gefordert, dass die Gelder für andere Zwecke genutzt werden könnten, doch das hätten die Volksvertreter nicht genehmigt. Theoretisch hätte Biden allerdings auch das zugeteilte Geld überhaupt nicht in Anspruch nehmen können.
Die jetzige Entscheidung des Präsidenten fand am Donnerstag Beifall von der „Föderation für amerikanische Einwanderungsreform“. Eine sichere Mauer sei ein effektives Mittel zur Grenzkontrolle, so die Organisation in einer Stellungnahme. Nun müsse die Regierung auch sofort mit der Absicherung anderer Stellen beginnen, um dort illegale Übertritte zu vermeiden.