VON GEORG ANASTASIADIS
In Bayern geht’s immer etwas barocker zu. Sogar im Wahlkampf: Staunend blickte der Rest der Republik erst auf das Staatstheater um den wundersam zum Opfer mutierten niederbayerischen Freischärler Hubert Aiwanger. Dann auf einen Steinwurf gegen die Grünen. Und jetzt noch der Tusch zum Finale: ominöse Angriffe auf die AfD, die die Partei nach Kräften ausschlachtet, inklusive Drohungen gegen „Söder und Konsorten“, man werde ihnen einen Denkzettel verpassen, von dem „sie sich so schnell nicht mehr erholen“ würden. Parteichef Tino Chrupalla begibt sich in die Klinik, Kollegin Alice Weidel flüchtet nach Mallorca. Ohne Opfer-Mythos scheint es nicht zu gehen im Freistaat des wandelbaren Herrschers Markus Söder.
Dessen CSU kommt kaum noch hinterher, den Wählern das Mitleid mit den tatsächlichen oder vermeintlichen Angriffsopfern auszureden. „Hinterfotzig“ nennt Söders Innenminister Herrmann besonders das Agieren der AfD. Bei aller Vorsicht: Die bisher bekannt gewordenen Umstände sprechen eher dafür, dass die „Alternative“ kurz vor der Wahl noch einen Aiwanger-Moment zu inszenieren versucht, diesmal mit sich selbst als Märtyrer und Profiteur. Manche gehen sogar noch weiter. Sie befürchten, dass die AfD vor den Wahlen im Osten die Schaffung von Bürgerwehren vorbereite, da der Staat die Partei ja nicht schützen wolle. Weimar lässt grüßen.
Schade, dass in der Aufregung vieles untergeht. Ausgerechnet die, die am meisten Lärm machen, dürfen sich Umfragen zufolge bei der Wahl am Sonntag die größten Zuwächse ausrechnen. Dagegen drohen andere, die wie die FDP fünf Jahre solide Sacharbeit im Landtag machten, auf der Strecke zu bleiben. Je aufgeregter das Geschrei, desto kühleren Kopf sollten die Wähler behalten. Und ihr Kreuz am Sonntag bei jenen machen, denen sie zutrauen, Bayerns Zukunft am besten zu gestalten.
Georg.Anastasiadis@ovb.net