München – Ronja Endres steht auf der Bühne, ruft gegen die läutenden Glocken des Alten Peters an, und sagt das Offensichtliche: „Ich bin nicht Florian von Brunn.“ Statt des Spitzendekandidaten eröffnet die Co-Vorsitzende der bayerischen SPD die Abschlusskundgebung.
Denn von Brunn ist kurz vor der Zielgeraden in diesem Wahlkampf, dort, wo das Flatterband eigentlich schon in greifbarer Nähe ist, von einer Corona-Infektion eingeholt worden. Deshalb stand schon beim TV-Duell Mitte der Woche nur eine digitale von-Brunn-Version im Studio – und auch am Freitagabend auf dem Münchner Marienplatz blickt er nur in Plakatform auf die SPD und seine Unterstützer hinunter.
Dabei setzt die Partei gerade auf diesen einen Mann. Die ganze, wie man so hört, ziemlich kostspielige Kampagne ist auf den bayerischen SPD-Vorsitzenden zugeschnitten. Sein Kopf ist es, der fast überall in Schwarz-weiß auf rotem Hintergrund prangt.
Doch so richtig an Bekanntheit gewann von Brunn trotzdem nicht. Wohl auch deswegen holte er sich prominentere Unterstützung aus Berlin. Er tourte mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach durch Ingolstadt, empfing Arbeitsminister Hubertus Heil in Nürnberg und trat mit Bundeskanzler Olaf Scholz in München auf.
An diesem Freitag ist es mal wieder der Bundesvorsitzende Lars Klingbeil, der seinen Kollegen im Süden unter die Arme greift – wie schon beim Gillamoos in Abensberg oder auf dem Münchner Oktoberfest. Und der scheint seine Wahlkampf-Ausflüge in den Freistaat zu genießen. „Ich liebe es hier zu sein“, ruft Klingbeil. „Aber jedes Mal, wenn ich hier her kommen, frage ich mich: Warum CSU, warum Markus Söder?“ Klar ruckele es auch in der Ampel-Regierung, aber Söder sei es, der die „Verantwortung für schlechte Politik in Bayern“ trage. Und in der Flugblatt-Affäre um Wirtschaftsminister Huber Aiwanger habe er „fünf Tage geschwiegen und dann den Buckel gemacht“.
In der SPD ist man sich einig: Man könne das mit dem Regieren besser. Voller Elan stellte von Brunn Anfang August ein Fünf-Punkte-Plan für die Wirtschaft vor. Wohl als Botschaft an die CSU, dass man auch Wirtschaft kann. „Wir haben richtig Lust zu regieren“, betont Endres noch einmal am Freitag.
Und ist das realistisch? Zumindest denkbar ist, dass die CSU die Sozialdemokraten zu Sondierungen einlädt – wenn auch nur, um die Freien Wähler zu ärgern.
Trotzdem sind da noch die aktuellen Umfragewerte. Das SPD-Mantra während des Wahlkampfes lautete: Bei der Bundestagswahl 2021 hat auch niemand auf die Sozialdemokraten gesetzt, jetzt stellen sie den Kanzler. Der feine Unterschied: Damals lag die Bundes-SPD in der letzten Umfrage vor der Wahl bei 25 Prozent – in Bayern kommt die Partei jetzt auf neun Prozent. Käme es so, wäre es das schlechteste Ergebnis jemals in Bayern.
Auch bei der Abschluss-Kundgebung schwingt die Hoffnung eines Kanzler-Bonus mit – wenn auch nur leise. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter gibt zu, dass es für die Bayern-SPD gerade „nicht so prickelnd aussieht“. Aber noch sei die Wahl ja nicht gelaufen. „Bis zu 40 Prozent der Menschen sind noch unentschieden – und darum geht es jetzt“, sagt auch Klingbeil. L. HUDELMAIER