Aiwanger: „Wir sind jetzt Volkspartei“

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Rumms. Als FW-Parteichef Hubert Aiwanger kurz nach 20.30 Uhr vor dem Münchner Augustinerkeller aus der Dienstlimousine steigt, gibt es drei Autos hinter ihm einen Unfall. Ein Auto ist gegen eine Straßenbahn gekracht. Keine Verletzten, nur Blechschaden. Es ist auch das einzige Malheur, das den Wahlabend der Freien Wähler kurz stört. Mit riesigem Jubel zieht Aiwanger ein. „Hubert“-Sprechchöre hallen durch die Gaststätte, wo sich die Anhänger bei der FW-Wahlparty mit Schweinsbraten und üppigen Brotzeitbretteln stärken.

Als um 18 Uhr ein erster Ergebnis-Trend über den Fernsehbildschirm flimmert – 14 Prozent für die FW, Grüne und AfD liegen da noch vor ihnen –, da ist der Jubel noch sehr verhalten. Ein kurzes „Uih“ geht durch den Bierkeller, gefolgt von einer Sekunde Schweigen, ehe dann doch geklatscht wird. Generalsekretärin Susann Enders muss die FW-Seele zunächst streicheln. „Wir haben deutlich zugelegt“, sagt sie, spricht gar von einem „genialen Ergebnis“. Der Garmisch-Partenkirchner Landrat Anton Speer, FW-Urgestein und mit der kurzen Ledernen im Augustinerkeller erschienen, spricht von einem „gesunden Wachstum“. Fast klingt es so, als warne da jemand vor zu viel Adrenalin und sei ganz froh, dass man jetzt geerdet ist bei den 14 Prozent. Nur ja nicht übermütig werden. Aber: Als sich mit jeder Hochrechnung für die FW dann das Ergebnis verbessert, steigt auch der Appetit. Erst 14,1 Prozent, dann 14,3, etwas später 14,7 und gegen 20 Uhr dann 15,3 Prozent – das ist ein deutliches Plus gegenüber dem Ergebnis von 2018 (11,6 Prozent).

Offenbar schlägt hier auch die Briefwahl zu Buche – viele Wähler machten ihre Kreuze in der Hochphase von Aiwangers Flugblatt-Affäre. Und offenbar kreuzten in dieser „Fieberkurve“, wie es Ministerpräsident Markus Söder nannte, besonders viele die Freien Wähler an.

Aiwanger lässt sich nach seiner Ankunft im Bierkeller durch die Menge treiben, Selfies, Umarmungen, Glückwünsche. Es sei „einer der glücklichsten Tage meines Lebens“, sagt er. „Ein Traumergebnis“, schwärmt er. Besonders applaudiert wird, als Aiwanger feststellt, jetzt habe man die Grünen überflügelt. Und er erklärt: „Wir sind Volkspartei in Bayern.“ Zumindest für Niederbayern ist dieses Resümee nicht ganz falsch. Im Stimmkreis Landshut holt Aiwanger das Direktmandat, in den Stimmkreisen wie Dingolfing, Kelheim und Rottal-Inn überflügeln die FW mit Werten jenseits der 30 Prozent bei den Zweitstimmen die CSU.

Das macht Lust auf mehr. Bisher hatten die FW drei Ministerien (Wirtschaft, Kultus, Umwelt). Springt jetzt ein viertes Ressort heraus? Aiwanger äußert sich dazu eher verhalten. „Natürlich hätten wir das gern, jetzt schauen wir mal, ob die Zahlen das hergeben“, sagt er. Er selber will Wirtschaftsminister bleiben. „Ich habe hier, glaube ich, gute Arbeit geleistet und ich würde es auch gern weitermachen“, erklärt er.

Ansprüche speziell auf das Agrarministerium anzumelden, vermeidet der FW-Chef am Wahlabend. Der Fürstenfeldbrucker Abgeordnete Hans Friedl wird da deutlicher: Ein viertes Ministerium sei „auf alle Fälle“ drin, zumal ja die CSU leicht verloren habe. Doch sieht Friedl nicht das Landwirtschaftministerium als primäres Ziel an. Da habe schließlich Ministerpräsident Söder vor der Wahl sein Veto eingelegt. „Das Bau- und Verkehrsministerium ist auch ein sehr wichtiges Ministerium,, und das wäre auch thematisch auf die Freien Wähler zugeschnitten“, sagt Friedl gegenüber unserer Zeitung.

Im Augustinerkeller sind vielen solche Pokerspiele erst mal egal. Wichtig seien inhaltliche Fragen, sagt etwa der Pfaffenhofener Landrat Albert Gürtner. Ob nun drei oder vier Ministerien – es brauche „vernünftige Lösungen“ auf allen Ebenen, ob in der Flüchtlings- oder in der Wirtschaftspolitik. Er selber würde sich ein bayerisches Bau-Konjunkturprogramm wünschen, damit der Landkreis endlich in den kommunalen Wohnungsbau einsteigen könne. Der Freisinger Abgeordnete Benno Zierer wiederum hält es für ganz wichtig, dass endlich die 3. Startbahn „endgültig beerdigt“ wird.

Eins sei klar, sagt Kultusminister Michael Piazolo: Mit diesem „Super-Ergebnis“ könne jetzt sehr selbstbewusst um „Inhalte und Zuschnitte“ verhandelt werden.

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