VON GEORG ANASTASIADIS
„Host mi?“, fragt der Bayer, wenn er befürchten muss, dass seine Botschaft nicht angekommen ist. Nach der saftigen Watschn für Grüne, SPD und FDP bei den Landtagswahlen in Bayern (und in Hessen) sollten es aber auch die Begriffsstutzigsten kapiert haben: Die Bürger wollen keine wirre Ampelei und keine deutschen Sonderwege mehr, sondern eine konservativere, weniger grün durchwirkte Politik. Und immer mehr sind leider schon so wütend, dass sie sich nicht genieren, diesem Wunsch durch die Wahl der AfD Nachdruck zu verleihen. 16 Prozent für die in Bayern besonders radikale Alternative – das ist ein Schock. Man kann das als üblen Rechtsruck abtun. Oder die Menschen ernst nehmen, die sich nach mehr Ordnung sehnen im Land, an den Grenzen, in der Wirtschaft, und die die Nase voll haben von Asylchaos, Bürgergeld für alle, wichtigtuerischen Klimaklebern und Politikern, die vom gendergerechten Umbau der Gesellschaft träumen. Das Ampel-Experiment darf nach diesem Sonntag als gescheitert gelten. Und die in Todesgefahr schwebende FDP muss sich überlegen, ob sie es nicht besser abbricht.
Es ist freilich auch ein schrilles Warnsignal für die CSU, dass sie – völlig anders als die hessischen Unionsfreunde um den populären Wahlsieger Boris Rhein – vom Ampel-Elend gar nicht profitieren konnte. Auch wenn Markus Söders Finger jetzt anklagend auf andere zeigen wird: Die Verantwortung für das historisch schwache Abschneiden seiner Partei liegt bei ihm. Das entscheidende Asylthema hatte er im Wahlkampf monatelang umkurvt, stattdessen setzte man in der Landesleitung auf einen weitgehend inhaltsleeren Wohlfühl-Wahlkampf („Unser Land in guter Hand“). Hätte die CSU es wirklich ernst gemeint, hätte sie das Sachleistungsprinzip für Asylbewerber schon lange auf eigene Faust in Bayern einführen können. Doch opportuner erschien es, der Verursacherin des Unheils, der Altkanzlerin, noch einen Orden umzuhängen, um die Merkelwähler in den Städten zu umgarnen; derweil wussten die Landräte draußen nicht mehr wohin mit den Neuankömmlingen und ihrer Verzweiflung.
Spätestens da war für viele Stammwähler das Maß voll, Söders Vertrauenskonto leer geräumt. In die Lücke stieß, mit wölfischer Gerissenheit, der Volkstribun Hubert Aiwanger, der immer rabiater den Platz rechts von der CSU besetzen und sich zum Robin Hood der von den Grünen genervten Landbevölkerung aufschwingen konnte. Auch wenn es für Aiwanger nach seinem unehrlichen Umgang mit dem Flugblattskandal am Ende nicht ganz so gut und für die CSU nicht so schlimm kam wie befürchtet: Heute sind die CDU-Verbände in Hessen und NRW, über die Strauß einst noch spottete, auf Augenhöhe mit der CSU. Was aber bleibt von der 70-jährigen Sonderstellung der bayerischen Staatspartei, wenn sie sich weder durch ihren Erfolg noch durch ihre konservative Programmatik mehr von den 15 anderen Unions-Landesverbänden abhebt?
Die Bayern dürften nun, nach absehbar lautem Verhandlungsgetöse, das kriegen, was sie sich wünschten: die Fortsetzung der Koalition aus CSU und den Freien Wählern. Doch wird es keine Liebesheirat mehr sein, sondern die Zwangsehe zweier verfeindeter Rivalen. Wie ein dunkler Schatten hängt die Flugblattaffäre über Bayerns alten und neuen Regenten. Die CSU bleibt Söder ausgeliefert, sie hat keine(n) Stärkere(n). Dasselbe gilt für die FW und Aiwanger. Doch könnten die beiden Dominatoren das weiß-blaue Schlachtfeld noch vor Ende der Legislatur verlassen: Aiwanger zieht es 2025 in den Bundestag, Söder 2027 ins Präsidentenschloss Bellevue, als Preis dafür, dass er entweder Wüst oder Merz zur Kanzlerkandidatur verhilft. Erst dann werden in Bayern die Karten wieder neu gemischt.
Georg.Anastasiadis@ovb.net