Der Lohn des Chaos

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Für eine Anti-Etablierten-Partei beherrschen sie das Spielchen ziemlich gut. Zehn Minuten vor den ersten Prognosen stellt sich die AfD-Prominenz zusammen, die zwei Spitzenkandidaten, der Parteichef, die Gäste aus dem Bundestag, alle lächeln breit über die Kameras hinweg. Da ist kein Zweifel in ihren Gesichtern, im Gegenteil: Manche können den extralauten Jubel fürs TV kaum erwarten.

Wenig später steht auf der Leinwand im recht engen Partyraum der AfD dann das, was die Umfragen seit Langem vorausgesagt haben: Die Partei legt ordentlich zu, dürfte über 30 Mandate im neuen Landtag haben und, wenn es gut für sie läuft, sogar zweitgrößte Fraktion werden. Man wäre dann stärkste Oppositionskraft. „Das Ergebnis“, sagt Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner, „übertrifft unsere Erwartungen. Wir sind schon so was wie der kleine Wahlsieger des Abends.“

Auch wenn man das hier bei der AfD-Wahlparty anders sieht – ein Lohn für die Arbeit der vergangenen fünf Jahre ist das kaum. Was hängen blieb: Fünf Fraktions-Austritte, einige kleine bis mittlere Skandale, dann der qualvolle Zoff in der Fraktion. „Natürlich profitieren wir diesmal extrem von der Ampel-Politik“, sagt einer, der sein Mandat wohl behalten wird. „Es sind gute Zeiten für uns. Aber es wird auch wieder schlechte geben.“

Vorerst sind die guten dran. Gelingt es, an Grünen und Freien Wählern vorbeizuziehen, ist auch die bisherige Isolation der Rechtspopulisten im Landtag kaum mehr haltbar. Es wird schwieriger, der vom Verfassungsschutz beobachten Partei Posten wie die eines Landtagsvizepräsidenten oder eines Ausschussvorsitzenden vorenthalten. „Für uns bedeutet das: mehr Redezeit, mehr mediale Aufmerksamkeit“, sagt Co-Spitzenkandidat Martin Böhm. Die Partei wäre unterm Strich deutlich präsenter.

Gemäßigter als bisher düfte es eher nicht zugehen. Wie zum Beleg teilt Ebner-Steiner bei einer kurzen Ansprache aus. Sie spricht von einer „Krise der Demokratie und des politischen Diskurses“ in Bayern, die sich etwa in Ingolstadt gezeigt habe, als Parteichef Tino Chrupalla „hinterlistig angegriffen“ wurde. „Man muss sagen, die Saat von Söder, Steinmeier und den linken Medien ist aufgegangen.“ Tatsächlich sehen die Ermittler bisher keine Anzeichen für einen Angriff. Chrupalla, der eigentlich zur Wahlparty nach München kommen wollte, bleibt trotzdem fern.

Wie die Fraktion künftig auftritt, wird auch mit ihrer Zusammensetzung zu tun haben. Die allerdings ist im Detail noch offen. Bekannte Gesichter wie der Rosenheimer Franz Bergmüller oder der Münchner Uli Henkel könnten wegen ihrer hinteren Listenplätze Pech haben, junge Kandidaten wie der Ingolstädter Stadtrat Oskar Lipp werden dafür einziehen. Das erhoffte Direktmandat in der AfD-Hochburg Freyung-Grafenau gibt es aber nicht. Dort gewinnt recht deutlich die CSU.

Die zentrale Frage ist: Hält der Frieden? Ein erster Test dürfte die Wahl der Fraktionschefs sein. Es ist davon auszugehen, dass die beiden Spitzenkandidaten Ebner-Steiner und Böhm Ansprüche anmelden, also zwei Vertreter des völkischen Flügels, der ohnehin stark vertreten sein wird. Andere gehen davon aus, dass es eine Doppelspitze geben wird – mit mindestens einem eher gemäßigten Vertreter, als Marionette.

Irgendwann am Sonntagabend steht Parteichef Stephan Protschka zufrieden im Raum. Wenn sich die Fraktion irgendwann konstituiere, sagt er, werde er dabei sein. „Dann mache ich erst mal die Tür zu und werde sehr deutliche Worte finden.“ Streiterein wie in den letzten fünf Jahren, heißt das, darf es nicht mehr geben. Die neue Fraktion könnte mit einem Donnerwetter starten.

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