München – Das verhaltene Klatschen macht alles noch schlimmer. Im Fernsehen laufen die ersten Prognosen. Es könnte „hauchdünn“ für eine Koalition mit der CSU reichen, heißt es. Ein paar SPDler ringen sich im ersten Stock des Maximilianeums einen traurigen Applaus ab. Er endet schnell. Sonst: Totenstille. So katastrophal wie an diesem Abend war es noch nie. Schon bei der Landtagswahl 2018 war das Ergebnis mit 9,7 Prozent ein Desaster. Nun haben die Sozialdemokraten ihr historisches Tief nochmals unterboten.
Wo der Florian denn nun bleibt, fragen einige. Der Spitzenkandidat lässt sich die erste halbe Stunde nach Bekanntgabe der Zahlen nicht blicken. Es ist wie bei einer Trauerfeier, bei der es keinen Redner gibt. Die Genossen stehen ein wenig verloren da, so wie auch die Journalisten. Ein Fernsehteam fragt ein paar Jusos, ob sie sprechen wollen. „Lieber nicht“, sagen sie und schütteln den Kopf.
Dann die Erleichterung. Als Fraktionschef von Brunn die Wahlparty betritt, bejubeln ihn die Sozialdemokraten. Es klingt ehrlich, tröstend. Der Mann, dessen schwarz-weißes Porträt in den vergangenen Wochen auf knallroten Plakaten in ganz Bayern zu sehen war, hat Tränen in den Augen. Die Worte fallen ihm nicht leicht: „Das Ergebnis ist für uns alle eine Enttäuschung.“ Er schluckt. „Aber wir haben hart gekämpft.“
Alle sagen das. Dass die SPD alles getan habe, was ging. Dass der Florian alles richtig gemacht habe. „In diesem Wahlkampf wurde kaum über bayerische Themen gesprochen“, klagt Ronja Endres, die sich mit von Brunn den Landesvorsitz teilt. Die SPD habe in ihrer Kampagne die richtigen Themen angepackt, sei laut gewesen – „aber andere waren lauter“. So lautet der gemeinsame Tenor. Er ist fast trotzig. „Ich habe schon am Infostand gemerkt: Wir sind mit Bayern-Themen nicht durchgedrungen“, sagt auch die Parlamentarische Geschäftsführerin Simone Strohmayr. Die wenigsten Genossen scheinen die Schuld bei sich zu suchen. Auch von Brunn nicht. „Wir müssen das Ergebnis jetzt akzeptieren“, sagt er nur.
Bei manchen hält sich die Akzeptanz aber in Grenzen. „Dass es so beschissen läuft, hätte ich nicht gedacht“, sagt Landtagsabgeordnete Ruth Waldmann. „Ich bin besorgt über den Zustand unserer Gesellschaft“, wütet sie. „Wir erleben einen massiven Rechtsruck. Das liegt an der AfD, aber auch an den Freien Wählern.“ Hubert Aiwangers Partei, die gleich im Raum nebenan Rekordwerte feiert, habe eine antidemokratische Stimmung erzeugt. Man könne die Schuld aber nicht nur bei anderen suchen, sagt Waldmann. „Wir müssen das jetzt analysieren. Sobald wir wissen, wer von unserem Häuflein überhaupt übriggeblieben ist.“
Die Landtags-SPD erwartet ein Umbruch. Fast die Hälfte der 21 Abgeordneten hört auf. Unter anderem Natascha Kohnen, die 2018 Spitzenkandidatin war – und mit der sich die SPD halbierte. Damals war es von Brunn, der einen radikalen Schnitt forderte. Kohnen sei zu still, zu zurückhaltend gewesen – der ganze Landesvorstand sollte zurücktreten, sagte er. Diesmal aber setzte er selbst im Wahlkampf auf einen ruhigen Ton, wollte Themen „sachlich“ rüberbringen. Sein Ziel war 15 plus x. Er ist krachend gescheitert. Ob er auch diesmal einen Wechsel in der Chefetage – inklusive Selbstkündigung – als Konsequenz sieht? KATHRIN BRAUN