Ampel will Abschiebungen erleichtern

von Redaktion

VON MARC BEYER

München – Würde man ihn nicht kennen, könnte man Robert Habeck in diesem Moment für einen verzweifelten Landrat halten. Der grüne Bundeswirtschaftsminister berichtet von Kommunen am Limit „und darüber hinaus“, von den immensen Herausforderungen durch Migration und von den Folgen, die das alles für das Land habe: „Das ist eine ernsthafte Belastungsprobe für den Zusammenhalt in unserem Land.“

Ganz ähnlich hat man das in den vergangenen Monaten von der Opposition sowie aus den Bundesländern und etlichen Landkreisen gehört, verbunden mit Vorwürfen an die Ampel, von der zu wenig Hilfe komme. Nun scheint dort etwas in Bewegung zu geraten, und ein führender Vertreter wählt fast die gleichen Worte wie seine Kritiker.

Habecks gestriger Auftritt in Berlin ist nur eines von mehreren Indizien. Das wohl eindeutigste ist das Treffen im Kanzleramt, bei dem am Dienstagabend Habeck und FDP-Chef Christian Lindner bei Olaf Scholz waren. Auch da ging es um Migration, konkret um ein Paket von Maßnahmen, mit denen die Zahlen gesenkt und Abschiebungen erleichtert und beschleunigt werden sollen. Es basiert auf einem Diskussionspapier, das Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits im Sommer vorgestellt hatte – und das speziell von Habecks Grünen äußerst kritisch aufgenommen wurde.

Ein paar Monate – und zwei für die Ampel verheerend verlaufene Landtagswahlen – später sieht die Koalition nun doch dringenden Handlungsbedarf. Gestern teilte das Innenministerium mit, der Gesetzentwurf werde in Kürze vom Bundeskabinett beraten werden. Hauptziel sei es, die Zahl von Abschiebungen, die im letzten Moment scheitern, zu reduzieren. Außerdem sollen die Ausländerbehörden durch verlängerte Fristen entlastet werden.

Laut Bundesinnenministerium soll die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage verlängert werden. Damit haben die Behörden mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten. Erleichtert werden soll zudem die Ausweisung von Schleusern sowie von Straftätern, die mindestens zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Bei Mitgliedern krimineller Vereinigungen sollen hinreichende Tatsachen, die eine Mitgliedschaft belegen, ausreichen, unabhängig von einer individuellen strafgerichtlichen Verurteilung.

Geflüchtete, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, sollen weniger Geld bekommen. Als Grund heißt es, dass sie dort auch weniger für ihre Lebenshaltungskosten brauchen. Ermöglicht werden soll zudem die Durchsuchung von Wohnungen, um die Identität eines Ausländers klären zu können.

Im Gegenzug soll es für Geflüchtete auch Erleichterungen geben. Wer länger hier sei, solle „raus aus dem Sozialsystem und rein in Arbeit“, sagte Habeck. Es sei auch der ausdrückliche Wunsch von Unternehmen, dass die Menschen, die im Land sind, hier arbeiten können. Zu den geplanten Maßnahmen gehört laut Habeck eine Anweisung an Ausländerbehörden, dass Arbeit zugelassen werden „soll“ und nicht nur „kann“.

Migration ist auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz ab heute in Frankfurt (ohne Scholz) das wichtigste Thema. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, fordern die unionsgeführten Länder, die Liste der sicheren Herkunftsländer neben Moldau und Georgien um Armenien, Indien, Marokko, Tunesien und Algerien zu erweitern.

Eine deutliche Verschärfung sieht auch ein Vorstoß der SPD-geführten Länder vor. Sie fordern, dass eine Pflicht zur Arbeitsaufnahme bestehen soll, sobald arbeitsfähige Geflüchtete aus einer Erstaufnahmeeinrichtung den Kommunen zugewiesen werden. Ausdrücklich ist dabei gemeinnützige Arbeit eingeschlossen. Einig sind sich Unions- und SPD-geführte Länder in ihrer Forderung, die Einführung von Bezahlkarten für Geflüchtete zu prüfen, um Fehlanreize zu reduzieren. Für 6. November ist eine Ministerpräsidenten-Runde mit Scholz in Berlin geplant. mit dpa

Artikel 1 von 11