Große Worte, vage Unterstützung

von Redaktion

Grundsatzrede des US-Präsidenten zu Nahost: An Bodentruppen will Biden noch nicht denken

Washington – Die Grundsatzrede von Joe Biden wurde mit Spannung erwartet – aber der Präsident war eine Stunde zu spät dran. Der Grund: Biden und seine Kabinettsmitglieder hatten im abhörsicheren „Situation Room“ des Weißen Hauses lange mit Israels Premier Benjamin Netanjahu über die Lage nach den schweren Terrorattacken der Hamas konferiert. In der Ansprache Bidens wurde dann schnell klar: Mit oft emotionalen Worten die Gräueltaten der Extremisten („Das schiere Böse“) verurteilen, Israel volle Rückendeckung zusagen – doch bewusst wichtige Fragen offen lassen.

Die USA stünden mit Israel, sagte Biden also. Er werde sicherstellen, dass Israel habe, was es brauche. Doch da der Präsident keine Reporterfragen zuließ, blieb es später seinem Sicherheitsberater Jake Sullivan überlassen, etwas präziser zu werden: Es werde „vorerst“ keinen Einsatz von US-Bodentruppen im Krisengebiet geben. Damit scheint ausgeschlossen, dass sich Elitekommandos der Vereinigten Staaten an riskanten Befreiungsaktionen der Hamas-Geiseln beteiligen. Rund 20 Verschleppte sollen die US-Staatsbürgerschaft haben.

Nachdem der schlecht geplante Afghanistan-Abzug vor zwei Jahren mit dem Tod von 13 „Marines“ endete und Biden dafür bis heute kritisiert wird, will er nun jedes Risiko für seine Beliebtheit reduzieren. US-Jets würden schon jetzt in Israel landen, um Munitionsnachschub zu liefern, betonte Sullivan. Zudem will Washington Berater vor Ort und vermutlich auch Geheimdienst-Informationen zur Verfügung stellen. Was andere Staaten oder Terrorgruppen wie die libanesische Hisbollah zu erwarten hätten, sollten sie sich in den Konflikt einschalten, ließ Biden offen. Er hat allerdings eine Flugzeugträgergruppe in die Region geschickt und warnte pauschal mit dem Begriff „Don’t“ – „Tut es nicht“.

Natürlich macht es Sinn für die US-Regierung, sich mit Blick auf ein mögliches künftiges Engagement in der Region nicht in die Karten blicken zu lassen. Doch Kommentatoren merkten später kritisch an, dass Biden mit keinem einzigen Wort den Iran und die Rolle Teherans bei der Unterstützung der Hamas erwähnte. Dabei haben Führungsoffiziere von Hamas und Hisbollah mittlerweile offen eingestanden, dass der Iran bei der Detailplanung der Attacken beteiligt war. Auch hatte Irans religiöse Führung unmittelbar nach den bestialischen Morden ausdrücklich der Hamas für die gelungene Ausführung der Angriffe gratuliert. Trotzdem wollte Sicherheitsberater Sullivan dem Iran keine unmittelbare Mitschuld geben. Er sagte nur, dass Teheran seit Langem Terrorgruppen gefördert und als „Subunternehmer“ genutzt habe.

Für die Strategie Bidens gibt es in Washington zwei mögliche Erklärungen: Nähme er Teheran für die jüngsten Attacken in Mithaftung, müsste der Präsident zum einen erklären, wie er nun gegenüber dem Iran reagiert. Doch eine solche Festlegung will der Präsident, der erst Anfang September sechs Milliarden eingefrorene US-Dollar für Teheran freigeben ließ, vermeiden. Zum anderen hält man im Weißen Haus immer noch an der Hoffnung fest, die nuklearen Ambitionen Teherans durch Verhandlungen und ein neues Abkommen bremsen zu können.

Ganz untätig bleiben die USA aber nicht. Außenminister Antony Blinken soll nach Israel reisen, er dürfte morgen dort eintreffen. Dabei dürfte es um die künftige Zusammenarbeit mit der israelischen Regierung gegen die Terroristen gehen. Von deren Attacke sind auch die USA stark betroffen – mindestens 22 US-Bürger kamen bei den Attacken der letzten Tage ums Leben. F. DIEDERICHS

Artikel 10 von 11