München – Was Hubert Aiwanger sagt, klingt zweideutig. „Wir sind aufmunitioniert“, erklärt er auf dem Weg zum Treffen mit der CSU. Von einem leidenschaftlichen Jäger, der sich jüngst heftige verbale Gefechte mit Markus Söder lieferte, kann man das als Drohung verstehen. Es ist aber inhaltlich gemeint – Aiwanger sieht sich gerüstet, sofort die Details der Koalition auszuhandeln. Und zwar alle. „Wir wären bereit, dass wir heute zum Abschluss kommen.“
Gemach. Bei ihrem ersten Treffen seit der Wahl geht es für die zwei Parteien ums Wiederannähern nach heftigem Streit („mädchenhaft“, „pubertär“), noch nicht um Detailverhandlungen. Es gelingt einigermaßen. 160 Minuten sitzen die 25 Unterhändler beisammen. Beide Seiten vermelden dann eine Annäherung. Es war „eine gute, eine deutliche Aussprache“, sagt FW-Fraktionschef Florian Streibl, der mit dem CSU-Kollegen Klaus Holetschek als einziger anschließend vor die Presse tritt. Nachfragen zu beantworten, trauen sich beide nicht. Das lässt darauf schließen, dass es intern kräftiger rummste.
Teilnehmer bestätigen das, wobei nicht jeder von einem „reinigenden Gewitter“ reden mag. Es sei wieder etwas Vertrauen da, aber viel Skepsis geblieben. Ministerpräsident und Vize blicken sich immerhin in die Augen, Söder versucht mit Blick auf eine bereitgestellte Wurstsemmel-Platte gar den Scherz, bei Gesprächen mit den Grünen hätte es „nur Müsli“ geben dürfen.
Intern verwehren sich die Freien Wähler vor allem gegen den Vorwurf, grenzwertig rechts zu stehen. So definiert sich die kommunal verwurzelte Partei selbst nicht, Aiwangers Äußerungen („Demokratie zurückholen“) deuteten aber einen Kurswechsel an. Von der CSU fordert er dafür einen anderen Stil. So warf er Söder „Demütigungen“ der letzten Jahre vor, als es ums Impfen ging. In der Runde am Donnerstag, von Medien als „Therapie-Treffen“ betitelt, wiederholt er das deutlich, schildern FW-Vertreter aus der vertraulichen Runde. Söder kontert, er sei eben von Journalisten nach Aiwangers Impfstatus gefragt worden und habe die Frage nur weitergegeben. Die CSU attackiert dafür Aiwanger wegen seiner recht lückenhaften Erinnerung in der Flugblatt-Affäre. Hier stehen die FW allerdings bisher loyal hinter ihrem Chef.
Inhaltlich gibt es wenig Greifbares, nur die klare Mahnung an alle Unterhändler, sparsam zu planen, man wolle keine neuen Schulden. Jetzt sollen die Koalitionsverhandlungen sehr eilig losgehen – heute schon im Landtag. Fachgruppen sollen gut zwei Wochen lang die Politikfelder durcharbeiten, die große Runde tagt am Mittwoch.
Ein grober Dissens zwischen den beiden bürgerlichen Parteien zeichnet sich nicht ab. Die Unterhändler kennen sich außerdem fast alle. Auf CSU-Seite sind es nur Landespolitiker, darunter fünf Minister; die Freien Wähler haben außerdem den erfahrenen Nürnberger Landrat Armin Kroder (50) beigezogen, der auch einen guten Draht zu CSU-Innenminister Joachim Herrmann hat.
Ganz am Schluss, vermutlich am Wochenende 27./28./29. Oktober, werden die Ressorts verteilt. Die Freien Wähler bestehen nach ihrem Wahlsieg (zehn Abgeordnete mehr) auf einem vierten Ministerium. Am 31. Oktober wird der Ministerpräsident gewählt. Aiwanger wies Spekulationen zurück, bei den Freien Wählern gebe es die Idee, Söder im ersten Wahlgang durchfallen zu lassen.
Alternativen zur Koalition gibt es ohnehin kaum. Die Freien Wähler haben keine andere Option zum Mitregieren. Die CSU hat zwar mit SPD (knapp) und Grünen die Pläne B und C, Söder will aber keine Regierung mit einer Ampel-Partei bilden. Zudem haben SPD und Grüne ihre Fraktionsführung noch nicht neu aufgestellt.