Scholz’ diplomatischer Spagat

von Redaktion

VON MARC BEYER

München/Berlin – Der Tag, der Olaf Scholz diplomatisch alles abverlangen wird, beginnt mit unmissverständlichen Worten. Im Bundestag gibt der Kanzler eine Regierungserklärung zu den Angriffen auf Israel ab. Er versichert dem Land seine Solidarität, verspricht Unterstützung und verurteilt die Taten der Terrororganisation Hamas in teils drastischem Ton. In gewisser Weise mag das erwartbar gewesen sein, trotzdem ist es eine starke Rede, sehr eindringlich und klar.

Dieser erste Teil seines Arbeitstages ist für Scholz insofern ungewöhnlich, als der Kanzler keine nennenswerte Kritik zu fürchten hat. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU), der nach ihm spricht, dankt ihm für diese Rede und verweist auf einen gemeinsamen Antrag von Union, SPD, Grünen und FDP, der die Solidarität mit Israel ausdrückt und für den er besonders den Grünen-Chef Omid Nouripour als Initiator würdigt. So viel Eintracht ist selten.

Für Deutschland gebe es nur einen Platz, sagt Scholz: „An der Seite Israels.“ Er erwähnt die aufwühlenden Bilder „von menschenverachtender Grausamkeit“, die zeigten, wie Terroropfer „auf widerwärtigste Weise erniedrigt“ würden. Auf die Szenen von palästinensischen Solidaritätsbekundungen bis hin zu Feiern auf deutschen Straßen reagiert er mit der Ankündigung, die Gruppierung „Samidoun“ verbieten zu lassen. Das Vereinsrecht sei „ein scharfes Schwert“. Gegen die Hamas werde ein Betätigungsverbot erlassen.

Und obwohl er noch keine handfesten Belege hat, spricht Scholz von seiner Überzeugung, dass die Hamas ohne Irans Unterstützung „zu diesen präzedenzlosen Angriffen nicht fähig gewesen“ wäre. Die Führung in Teheran, sagt er mit bebender Stimme, zeige „ohne Scham ihr wahres Gesicht“.

Diese Passage ist noch ein Teil der Regierungserklärung, aber sie schlägt den Bogen zu jenem zweiten Termin des Tages, der mit dem ersten untrennbar verbunden ist und für den Scholz weniger Zuspruch vom politischen Gegner erhält. Wenige Stunden nach seinem Auftritt im Bundestag empfängt er Scheich Tamim bin Hamad Al-Thani. Als der Besuch des Emirs von Katar vereinbart wurde, war noch die 2022 vereinbarte Energiepartnerschaft das große Thema. Das ist jetzt nur noch eine Randnotiz.

Der Emir ist ein schwieriger Gast. Katar versteht sich als Vermittler in der Region, ist aber seit Jahren auch Finanzier der Hamas. Deren Politbüro befindet sich in Doha, wo die 15 Mitglieder luxuriöse Villen bewohnen sollen. Die katarischen Millionen für den Gazastreifen, allein seit 2018 monatlich mehr als 30, flossen zwar in den Aufbau der Infrastruktur und die Lieferung von Hilfsgütern – mit Duldung Israels, das sich mehr wirtschaftliche und damit politische Stabilität erhoffte. Ein Teil landete auf Umwegen aber auch bei der Hamas.

Die Rolle Katars, dessen Außenministerium am Wochenende noch Israel die Verantwortung für die Gewalt zugeschoben hatte (ehe es die Worte später abschwächte), ist mindestens undurchsichtig. Aber auf die Hilfe des Emirats bei der Freilassung von Geiseln verzichten kann der Westen auch nicht.

Selbst die Kritik an Scholz’ Treffen mit Al-Thani klingt halbherzig. Die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann beklagt in der „Welt“ zwar, man könne nicht „morgens den Terror der Hamas verurteilen und dann mit dem Hauptsponsor des Terrors zu Mittag essen“. Aber wenn es schon sein müsse, solle der Kanzler zumindest Tacheles reden. „Katar muss bei seinen Kostgängern für die Freilassung der Geiseln sorgen. Und dann den Terroristen endlich den Geldhahn zudrehen.“

Scholz selber verteidigt den diplomatischen Spagat. Es wäre unverantwortlich, „in dieser dramatischen Lage nicht alle Kontakte zu nutzen, die helfen können“. Dazu zählt er neben dem türkischen Präsidenten Erdogan und Ägyptens Präsident Al-Sisi auch den jordanischen König Abdullah II. Ihn empfängt Scholz nächste Woche.

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