Länder hoffen auf „eisernen Olaf“

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Frankfurt – Der Ort ist historisch. In Frankfurt, wo die elf Länderchefs 1948 einst die Gründung der Bundesrepublik vorantrieben, ist die große Ministerpräsidentenkonferenz dieses Tages angesetzt. Die heute 16 Regierungschefs treffen sich, um über das Riesenthema Migration zu verhandeln. Was sie dort beschließen, hält aber mit historischen Dimensionen noch nicht mit. Wünsche an den Bund sind es, der Ruf nach mehr Geld und mehr Tempo.

Der Leitgedanke ist, schneller über Asyl zu entscheiden. Die Ministerpräsidenten fordern, Asylverfahren von Menschen mit geringer Bleibeperspektive in drei Monaten rechtskräftig (inklusive Klage) durchzuboxen. Das soll für Staaten gelten, bei denen die Anerkennungsquote unter fünf Prozent liegt. Nötig ist also, dass das Migrations-Bundesamt BAMF die Verfahren priorisiert, und dass die Verwaltungsgerichte der Länder schneller entscheiden.

Betroffen sind davon zahlenmäßig nicht die größten Kontingente. Die Westbalkan-Staaten, Ghana, Senegal, Algerien, Tunesien und Marokko fallen darunter. Das sei ein praktischer Schritt, der mehr bewirke als die seit Jahren geführte Debatte über sichere Herkunftsländer, sagt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).

Die Forderung, die Standards für Flüchtlinge zu senken, ist bisher nicht erfüllt. Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) als Gastgeber sagt, man wolle „zu einer Harmonisierung von Sozialleistungsstandards“ für Asylbewerber und Flüchtlinge in der EU kommen. Er warnt vor großen Erwartungen, das Verfassungsgericht setze Grenzen. Dass Flüchtlingen in Sammelunterkünften mit Vollverpflegung zumindest die Geldleistung gekürzt wird, ist ein Ansatz. Dafür wollen die Länder erneut mehr Geld. Im Beschluss verlangen sie vom Bund jährlich eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro und pro Migrant mindestens 10 500 Euro.

Für Grenzschutz (stationär) zu Polen und Tschechien und ein größeres deutsches Frontex-Kontingent werben die Länder. Außerdem vage für eine Arbeitspflicht. Arbeitsfähigen Geflüchteten müssten spätestens nach der Zuweisung aus der Erstaufnahmeeinrichtung an die Kommunen Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden können, steht umständlich im 15-seitigen Papier, das unserer Zeitung vorliegt.

Halbwegs Konsens, Bremen ausgenommen, gibt es für die Idee einer Bezahlkarte. Eigentlich wäre das Ländersache, ist längst erlaubt. Doch nun soll der Bund eine einheitliche Lösung vorschlagen. Geprüft werden soll außerdem, ob Deutschland abgelehnte Asylbewerber „unmittelbar aus Einrichtungen des Bundes“ abschieben könnte, also etwa an Flughäfen. „Bundesausreisezentren“ nennt das Bayern.

Reicht das? In der Runde gibt es Skepsis. Das könne „nur der Anfang sein“, verbreitet Markus Söder. Die CSU fordert Konkreteres. Das Leistungsniveau für Flüchtlinge soll auf die Sätze in Österreich oder Dänemark sinken. Die von der CSU geforderte „Integrationsgrenze“ steht nicht im Beschluss. Auch nicht, das Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge zu senken.

Am Abend trafen sich Rhein und Weil mit Kanzler Olaf Scholz und Oppositionsführer Friedrich Merz. Aus Unionskreisen war von einer „guten, konstruktiven Gesprächsatmosphäre“ die Rede. Merz und Rhein hätten ein 26 Punkte umfassendes Papier vorgelegt, mit nationalen und europäischen Ansätzen.

Für den 6. November ist eine große Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler angesetzt. Mehrere Regierungschefs auch von der SPD verlangen dann eine komplette Kurswende in der Migrationspolitik. Der „Spiegel“ sieht dafür ein Umdenken bei Scholz nahen. Scholz habe den Warnschuss jetzt gehört, schreibt das Magazin. Und titelt: „Plötzlich gibt der Kanzler den eisernen Olaf“.

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