Warschau – Der Wahlkampfspot zeigt verkohlte Autos und brennende Häuser, dann eine lange Kolonne marschierender Migranten. Die Kamera schwenkt auf den 5,5 Meter hohen Zaun, den Polen an der EU-Außengrenze zu Belarus errichten ließ. „Nur die PiS kann Polen Sicherheit garantieren“, sagt eine sonore Männerstimme zu Bildern einer Mutter, die sich über ihr schlummerndes Baby beugt.
Mit Stimmungsmache gegen Migranten und die EU-Asylpolitik will die seit acht Jahren regierende Partei Prawo i Sprawiedliwosc (PiS, deutsch „Recht und Gerechtigkeit“) bei der Parlamentswahl an diesem Sonntag Wähler gewinnen. Deshalb blockierte Polen jüngst auch gemeinsam mit Ungarn beim EU-Gipfel in Granada eine Erklärung zur gemeinsamen Migrationspolitik.
Doch auch mit dieser populistischen Kampagne könnte es diesmal knapp werden für die PiS, wenn die gut 29 Millionen Wahlberechtigten über die 460 Sitze im Parlament entscheiden. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass weder die PiS noch das größte Oppositionsbündnis, die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) von Donald Tusk, allein eine Regierung werden bilden können. Da sich PiS und KO erbittert bekämpfen, wird der jeweilige Sieger auf ein Bündnis oder Absprachen mit kleineren Parteien angewiesen sein.
Der russische Angriff auf das Nachbarland Ukraine hat in Polen viel in Bewegung gebracht. Das Land hat eine knappe Million Kriegsflüchtlinge aufgenommen, sein Status als Nato-Partner wurde durch die enge Allianz mit Kiew stark aufgewertet. Zuletzt wurde das polnisch-ukrainische Verhältnis zwar durch den Streit über den Import und Transit von ukrainischem Getreide lädiert. Warschau verkündete, nur noch laufende Verträge über Militärhilfe zu erfüllen. PiS-Chef Kaczynski habe diese Wende angeordnet, weil er die Stimmen der erbosten polnischen Bauern gewinnen wollte, erklärt der Politologe Antoni Dudek – doch sei sie nicht von Dauer. „Egal, wer gewinnt: Dieser Schritt wird nach der Wahl rückgängig gemacht.“
Die PiS kann laut der neuesten Umfragen zwar mit 33,5 bis 35 Prozent der Stimmen rechnen und wird damit voraussichtlich stärkste Partei. Doch anders als in den vergangenen acht Jahren wird sie nicht mit absoluter Mehrheit regieren. Als Koalitionspartner käme nur die ultrarechte Konfederacja infrage. Deren Chef Slawomir Mentzen schwört im Wahlkampf: „Es wird keine Koalition mit der PiS geben.“ So müsste PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski entweder genug Konfederacja-Abgeordnete mit lukrativen Posten in sein Lager locken – oder eine von den Ultrarechten tolerierte Minderheitsregierung führen.
Auch ein Machtwechsel ist nicht ausgeschlossen. Die Bürgerkoalition (KO) liegt mit Umfragewerten um 28 Prozent zwar deutlich hinter der PiS. Die KO könnte aber für eine Koalitionsregierung zwei weitere Parteien ins Boot holen: das Linksbündnis „Lewica“ und den konservativ-proeuropäischen „Dritten Weg“. Beide bringen es in Umfragen je auf gut zehn Prozent.
Seit die PiS-Regierung im vergangenen Jahr mehr als 1,3 Billionen Euro Weltkriegs-Reparationen von Deutschland gefordert hat, ist das deutsch-polnische Verhältnis auf einem Tiefpunkt. Insofern hofft man auch in Berlin auf einen Regierungswechsel. DORIS HEIMANN