VON GEORG ANASTASIADIS
Grünen und FDP kann das nicht gefallen: Die 2021 abgewählte Große Koalition aus Union und SPD lebt weiter – und sie fängt an, die Zügel in Deutschland wieder in die Hand zu nehmen: Es waren vier Spitzenpolitiker von CDU und SPD, die am Wochenende nach einem Ausweg aus der Asylkrise suchten. Stundenlang saßen Kanzler Scholz, Oppositionsführer Merz sowie die Ministerpräsidenten Weil (SPD) und Rhein (CDU) im Kanzleramt zusammen. Ausgeschlossen wird in Berlin seither nichts mehr. Nicht mal ein Ende der Ampel und ein fliegender Wechsel in der Scholz-Regierung: Grüne und FDP raus, CDU und CSU rein.
Muss, weil die Ampel es nicht mehr schafft, der Bundeskanzler die schweren Krisen unserer Zeit mit ihren gravierenden Folgen für Deutschland (Migration, Ukraine, Nahost) gemeinsam mit einem Vizekanzler Merz lösen? Noch ist es nicht so weit. Doch der Druck auf die Grünen, die sich gegen eine grundlegende Neuordnung des Asyl- und Aufenthaltsrechts sträuben, wächst fast stündlich: So haben CDU und CSU am Freitag einen 26-Punkte-Plan zur Zuwanderung vorgelegt, der für die rebellische Basis der Habeck-Baerbock-Partei unannehmbar ist. Umgekehrt kann sich aber auch die Union nur wenige Kompromisse leisten, weil sonst die AfD weiter auf ihre Kosten erstarkt und die freiheitliche Demokratie im Land in Gefahr gerät. Zwischen Grünen und Union wiederum laviert Scholz: Die Grünen braucht er als Koalitionäre, die in vielen Ländern regierende Union als Partner beim Asylkompromiss.
Viel Manövrierspielraum hat der im Umfragetief steckende Regierungschef, der Neuwahlen fürchten muss wie die Pest, also nicht mehr – aber er hat durch das verklausuliert vorgetragene Koalitionsangebot der Union plötzlich wieder einen Trumpf im Ärmel. Will er nicht als Gescheiterter in die Geschichte eingehen und seine SPD mit in den Abgrund ziehen, kann er die Grünen in der Schicksalsfrage der Migration jetzt vor eine harte Wahl stellen: entweder mit – oder eben ohne euch. Ganz Listige in der SPD denken sogar noch weiter: Tritt Merz jetzt in die Regierung ein, wäre er als nächster Kanzlerkandidat gesetzt – und Scholz hätte seinen Wunschgegner.
Georg.Anastasiadis@ovb.net