Deutschland dient als Rückzugsraum – bislang

von Redaktion

Sicherheitsbehörden sorgen sich, dass der Nahost-Konflikt auch hierzulande Spuren hinterlässt

München/Berlin – Die Bilder haben Spuren hinterlassen. Dass auf deutschen Stadt- und Marktplätzen Demonstrationen für die Palästinenser stattfinden, ist das eine – doch wenn wie am Freitagabend auf dem Münchner Odeonsplatz unter aggressiver Stimmung „Allahu akbar“ gerufen wird, stellt sich die Frage, ob im Zuge des Nahost-Konflikts auch in Deutschland die Terrorgefahr wieder steigt.

Da trifft es sich gut, dass am Montagmorgen die Chefs der Sicherheitsbehörden dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags Rede und Antwort stehen. Doch wer eine konkrete Gefahreneinschätzung erwartet hat, wird enttäuscht. Das Mitteilungsbedürfnis ist überschaubar. Der Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang erklärt zwar, dass das von Kanzler Olaf Scholz angekündigte Betätigungsverbot für die Hamas die „logische Konsequenz unserer Erkenntnislage“ sei. Für jüdische Einrichtungen gebe es keine konkreten Gefährdungshinweise, aber eine „abstrakt hohe Gefährdung“. Konkreter wird es während der Anhörung aber nicht.

Der letzte Verfassungsschutzbericht beziffert die Zahl der Hamas-Mitglieder in Deutschland auf 450. „Westliche Staaten wie Deutschland werden von der Hamas als Rückzugsraum betrachtet, in dem die Organisation sich darauf konzentriert, Spenden zu sammeln, neue Anhängerinnen und Anhänger zu rekrutieren und ihre Propaganda zu verbreiten“, heißt es darin. Zwei der Hamas nahe stehende Vereine waren bereits 2002 und 2005 verboten worden. Nun folgt noch das palästinensische Gefangenensolidaritätsnetzwerk Samidoun. Das Betätigungsverbot heißt, dass die Hamas keine Versammlungen durchführen darf. Ohnehin steht die Gruppe bereits seit 2001 auf der EU-Liste der terroristischen Organisationen. Seitdem dürfen Kennzeichen der Hamas in Deutschland nicht mehr verwendet werden.

Die Frage ist, ob die islamistische Szene insgesamt durch die jüngsten Ereignisse einen Schub bekommt. Hier war es zuletzt verhältnismäßig ruhig, was Haldenwang vor allem der Aufmerksamkeit seiner Behörde zuschreibt. „Deutschland und Europa sind weiterhin im Fokus terroristischer Organisationen wie ,al-Qaida‘ und ,Islamischer Staat‘ (IS), die diese Ideologie prägen, verbreiten und ihre Umsetzung propagieren“, heißt es im Bericht. Bedenklich: Von den mehr als 1150 Islamisten, die seit 2011 in Richtung Syrien und Irak gereist waren, sind 40 Prozent wieder zurück.

„Angesichts der aktuellen Entwicklungen sind unsere Sicherheitsbehörden höchst wachsam“, sagt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf Anfrage. „Konkrete Gefährdungserkenntnisse für Bayern haben wir bislang nicht. Dennoch haben wir alle Polizeipräsidien sensibilisiert, die Schutzmaßnahmen für jüdische und israelische Einrichtungen und Veranstaltungen engmaschig zu überprüfen und erforderlichenfalls zu erhöhen.“ Man unternehme alles, um Gewalt, Volksverhetzung und andere Straftaten der radikal-palästinensischen Seite zu unterbinden, so Herrmann. „Das gilt auch für jene, die israelfreundliche Kundgebungen zu stören versuchen.“ MIKE SCHIER

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