Faesers Kurswechsel: „Schleuser werden immer brutaler“

von Redaktion

Warum die Innenministerin nun doch stationäre Grenzkontrollen beantragt – Kretschmer: Brauchen den Überblick

Berlin – Sie sagte monatelang Nein. Dann einige Wochen: Vielleicht. Jetzt sagt Nancy Faeser energisch Ja! Nach langem Widerstand gegen stationären Grenzschutz hat die Bundesinnenministerin nun feste Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz eingeleitet. Die klare Ablehnung, dies sei nur „reine Symbolpolitik“ und binde unnötig Personal, gilt nicht mehr.

In Sachsen und Brandenburg liefen die Kontrollen am Montag bereits an, Vorbild sind die Kontrollen im Süden zu Österreich. Dies ist laut Ministerium zunächst auf zehn Tage begrenzt und kann bis zu zwei Monate verlängert werden – wohl mehrfach. Faeser (SPD) argumentiert, die Schleuser würden „immer brutaler und skrupelloser“. Auch künftig werde nicht rund um die Uhr jedes Fahrzeug angehalten. Flexibel und ohne Schikane für Pendler, Warenströme und Touristen soll das laufen. Von Januar bis Anfang Oktober hat die Bundespolizei etwa 98 000 unerlaubte Einreisen gezählt.

Faeser hatte erst vor wenigen Tagen verstärkte Kontrollen in der Nähe der östlichen Grenze angekündigt, aber da noch keine stationären Maßnahmen unterstützt. Schleuser sind mit echten Kontrollen direkt am Grenzübergang allerdings leichter zu schnappen als im Hinterland. Denn dort sind sie oft schon verschwunden, wenn die Polizei die zusammen mit ihnen irregulär eingereisten Menschen aufgreift. Oder es kommt zu Unfällen wie vergangene Woche auf der A 94, als ein Schleuser auf der Flucht vor der Polizei die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Sieben Menschen starben bei dem Unfall in Bayern.

Zurückweisungen an den Schengen-Binnengrenzen sind nur dann zulässig, wenn zuvor die temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen gegenüber der EU-Kommission notifiziert wurde. Zurückweisungen kommen aber nur relativ selten zur Anwendung, etwa wenn ein Ausländer mit einer Einreisesperre belegt ist oder er keinen Asylantrag stellt.

Obwohl im Schengen-Raum das Prinzip der offenen Binnengrenzen gilt, haben aktuell mehrere Staaten Grenzkontrollen notifiziert. Frankreich hat etwa unter Verweis auf Terror-Risiken und irreguläre Migration über Mittelmeer- und Balkanroute Kontrollen an seinen Grenzen zu Belgien, Deutschland, Italien, Spanien und der Schweiz beantragt. Die Franzosen kontrollieren aber nicht überall rund um die Uhr, sondern eher punktuell und lageangepasst. So ähnlich soll es künftig auch an den Grenzen Deutschlands zu Tschechien, Polen und der Schweiz laufen.

In der Ampel gibt es dafür Ärger. Die Grünen rügen die stationären Kontrollen als „Scheinlösung“. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) indes sagte der „FAZ“, es brauche dieses Instrument als „eines von vielen. Es geht darum, die Kontrolle dafür zu haben, wer nach Deutschland kommt“. Die CSU-Politikerin Daniela Ludwig kommentiert Faesers Wende trocken mit den Worten: „Guten Morgen.“

Der tschechische Innenminister Vit Rakusan zeigte Verständnis für die deutsche Entscheidung. Er rechne mit Stichproben-Kontrollen, ähnlich wie die tschechischen Kontrollen an der Grenze zur Slowakei.  dpa/cd

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