München – Als Olaf Scholz das letzte Mal in Israel war, Anfang März 2022 war das, dauerte sein Besuch keine 24 Stunden. Eigentlich wollte er sich mehr Zeit nehmen für Jerusalem. Doch seit ein paar Tagen tobte ein neuer Krieg in Europa, und deshalb wurde die Kanzlerreise zu einem Kurztrip komprimiert. Nun ist es der Krieg in Nahost, der Scholz nach Israel aufbrechen lässt. Und diesmal hat die Reise höchste Priorität. Es ist nicht nur ein Solidaritätsbesuch, sondern eine Mission: Sie soll einen Flächenbrand verhindern. Scholz trifft heute Morgen erst den jordanischen König Abdullah II. in Berlin. Danach steigt er in den Flieger Richtung Israel. Auch ein Besuch in Ägypten steht auf dem Programm.
Die diplomatischen Bemühungen im Nahen Osten laufen auf Hochtouren. Am Freitag war bereits Außenministerin Annalena Baerbock nach Israel gereist – sie hatte die Hamas aufgefordert, alle Geiseln freizulassen. US-Außenminister Antony Blinken tourt seit Tagen durch die Region: zunächst Israel, dann Jordanien, Katar, Bahrain, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, dann wieder Israel.
Washington befürchtet eine Eskalation. Der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, sprach über eine mögliche neue Front an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon. Er könne auch nicht ausschließen, dass der Iran „sich auf irgendeine Weise direkt einmischen wird“. Der Iran warnte Israel am Wochenende vor einem Einmarsch in den Gazastreifen. Niemand könne garantieren, dass sich der Konflikt nicht ausweite, sagte Außenminister Hossein Amir-Abdollahian.
Blinken versucht nun, in der arabischen Welt für Israel zu werben. Besonders wichtig war das Treffen mit dem katarischen Emir in Doha, wo die Spitze der Hamas residiert. Auch in Riad hat Blinken den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman aufgefordert, Druck auf die Hamas auszuüben. Saudi-Arabien gilt als wichtige Schutzmacht der Palästinenser. Trotzdem bezeichnete Blinken das Treffen als „sehr produktiv“.
Eine Schlüsselrolle in der Vermittlung zwischen Israel und den Palästinensern spielt auch Ägypten. In Kairo findet am Samstag ein internationaler Krisengipfel statt. Man werde „über die Zukunft der palästinensischen Sache“ sprechen, hieß es.
Sogar China schickt einen Sondergesandten in den Nahen Osten, um für einen Waffenstillstand zu werben. Der Diplomat Zhai Jun werde sich für Friedensgespräche einsetzen, hieß es im Staatsfernsehen. Wobei es der Großmacht wohl weniger um eine Entschärfung der Lage als um ein Gegengewicht zum amerikanischen Einfluss gehen dürfte. China hat sich in dem Konflikt bislang nicht positioniert, sondern nur zu Frieden aufgerufen. Peking unterhält gute Beziehungen zu beiden Seiten. Erst im Juni war der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, zu Besuch in Peking. Chinas Staatschef Xi Jinping hatte ihm Unterstützung für einen Palästinenserstaat zugesagt.
Abbas hat sich von dem Angriff der Hamas auf Israel distanziert. Ihre Taten „repräsentieren nicht das palästinensische Volk“, sagte er. Allerdings gilt sein Einfluss im Gazastreifen als gering. Abbas leitet die Fatah-Fraktion innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Die säkulare Fatah und die islamistische Hamas sind erbitterte Rivalen.