Das Ende der grünen Doppelspitze

von Redaktion

Katharina Schulze soll als starke Frau für 2028 aufgebaut werden – Ludwig Hartmann will seine Rolle neu definieren

München – Die Abgeordneten der Grünen-Fraktion staunten vergangenen Donnerstag nicht schlecht, als sie in den Abendstunden eine E-Mail ihres Fraktionsvorsitzenden Ludwig Hartmann bekamen. Der „jetzt dienstälteste Abgeordneten-Kollege“ präsentierte den Parteifreunden eine für die Grünen revolutionäre Idee: die Abschaffung der Doppelspitze im Landtag. Über dem angehängten Strategiepapier prangte die Überschrift: „Vertraulich“ – so wie man es sonst nur von Schreiben der Geheimdienste kennt. Und tatsächlich drang zunächst auch nichts nach draußen.

Gestern dann meldeten die Grünen überraschend den Vollzug: Künftig wird allein Katharina Schulze die Fraktion führen. Hartmann selbst wird – so will es zumindest seine Fraktion – ins Präsidium des Parlaments wechseln. Der bisherige Vizepräsident Thomas Gehring hatte wegen des schwachen Ergebnisses der Grünen den Wiedereinzug verpasst.

Das schlechte Ergebnis – es ist auch der Anlass für diesen doch recht spektakulären Strategiewechsel. Es gehe darum, wieder das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, vor allem auf dem Land, schrieb Hartmann an die Abgeordneten. Grüne sollten nicht mehr Hassobjekt sein, sondern wieder Sympathieträger werden. Dazu schlug er eine Arbeitsteilung vor: Der öffentliche und mediale Fokus solle sich auf Schulze fokussieren. Er selbst wolle in seiner neuen, überparteilichen Funktion gegen die Spaltung der Gesellschaft arbeiten. Jenseits des täglichen Streits, in Gesprächen mit Vereinen und Verbänden.

Für die Fraktion, die seit 23 Jahren von einer Doppelspitze geführt wurde, ist dieser Schritt eine Zäsur. Lediglich 2008 hatte man den inzwischen verstorbenen Sepp Daxenberger zum alleinigen Spitzenkandidaten gekürt. Und im letzten Bundestagswahlkampf war Annalena Baerbock Kanzlerkandidatin. Vor den letzten Landtagswahlen hatte sich diese Frage nie gestellt, denn Schulze hatte das Mindestalter von 40 Jahren noch nicht erreicht, das die Landesverfassung für das Amt des Ministerpräsidenten vorsieht. 2028 wird sie alt genug sein – bis dahin will sich die 38-Jährige, die in München ihr Direktmandat souverän verteidigte, als starke Frau der Partei profilieren.

„Der große Rückhalt und das Vertrauen meiner Fraktion macht mich stolz und dankbar“, wurde sie gestern in einer Mitteilung zitiert. „Ich fühle mich bestärkt darin, weiterhin mit voller Kraft Politik für die Menschen in Bayern zu gestalten.“ Für heute ist eine Pressekonferenz geplant. Dabei wird sich auch Johannes Becher einer größeren Öffentlichkeit vorstellen. Der 35 Jahre alte Freisinger, der am Wahlabend lange um seinen Wiedereinzug bangen musste, übernimmt das neu geschaffene Amt des Vize-Vorsitzenden.

Mit der neuen Aufgabenteilung dürften sich einige Reibungsverluste reduzieren, die durch die Doppelspitze entstanden. Hartmann gilt als ein bis weit ins bürgerliche Lager vermittelbarer Pragmatiker, der auch bei Markus Söder Anerkennung genießt. Für seine Positionen hatte er immer wieder mit der Basis, der Parteispitze, aber eben auch mit Schulze zu kämpfen. Im neuen Amt kann er freier agieren – ob er noch so viel gehört wird, ist eine andere Frage. MIKE SCHIER

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