München – Um Superlative ist die Ampel selten verlegen. „Es sind große, weitgehende Beschlüsse zur Modernisierung des Landes“, verkündete SPD-Parteichef Lars Klingbeil, als sich die drei Parteien Ende März nach tagelangen Verhandlungen unter anderem auf ein Verkehrspaket geeinigt hatten. Gestern dann schwärmte Johannes Vogel (FDP): „Unser Land erstickte bei Großprojekten bisher in Langsamkeit – jetzt bringen wir das LNG-Tempo endlich auch auf die Straße.“ LNG-Tempo meint: Der Ausbau geht so schnell wie bei der Einrichtung der Flüssiggas-Terminals während der Energiekrise im Winter. Doch tatsächlich ist der gestrige Durchbruch der Ampel zumindest teilweise nur der vom März. Es wurde noch einmal ein halbes Jahr lang diskutiert. Darum geht es:
Planungsbeschleunigung: Der Sanierungsstau beim Verkehr soll aufgehoben werden. Dabei geht es um eine beschleunigte Realisierung von Schienenprojekten, aber auch um Autobahnprojekte, die Stauschwerpunkte und Engstellen sind. Konkret sind es meist Spurerweiterungen. 138 Autobahnprojekte stehen auf der Liste, darunter etliche in Oberbayern. Beispielsweise die A9 im Stadtbereich München (Frankfurter Ring-Schwabing), dazu die A99, die A94 (Steinhausen bis Markt Schwaben) sowie die Salzburger Autobahn A8, die vom Hofoldinger Forst südwärts bis zum Inntaldreieck vierspurig werden soll.
Bei den Grünen hatte es Vorbehalte gegen eine Planungsbeschleunigung bei Autobahnen gegeben. Tatsächlich wurde intensiv darüber gestritten, bei der FDP war von einem „Kulturkampf gegen das Auto“ die Rede.
Die Grünen setzten in den schwierigen Gesprächen durch, dass künftig jede verfügbare Fläche an Autobahnen für die Solarerzeugung genutzt wird. Die Sanierung von Brücken, ein großes Problem der deutschen Infrastruktur, werde durch eine Reihe von Vereinfachungen und Ausnahmen schneller.
Die Beschleunigung gilt auch für die Schiene. Bestimmte Projekte erhalten das Prädikat „überragendes öffentliches Interesse“ – unter anderem wurde die Anbindung des Münchner Flughafens von Norden aus (Ingolstadt) in die Liste der Projekte aufgenommen. Laut Grünen sollen 312 Schienenprojekte mit einer Gesamtlänge von 4500 Kilometern beschleunigt umgesetzt werden.
Lkw-Maut: Spediteure laufen dagegen seit Wochen Sturm: Bei der Lkw-Maut wird ein CO2-Aufschlag eingeführt. Damit will die Koalition Anreize setzen, um den Umstieg auf Lastwagen mit klimafreundlichen Antrieben zu beschleunigen. Die Zusatz-einnahmen sollen – ein Novum – in die Bahn investiert werden. Grünen-Fraktionschefin Britta Hasselmann sprach von 45 Milliarden Euro in den nächsten Jahren. „Mit der Mautänderung bilden wir die tatsächlichen Kosten der Mobilität ab und erzielen zusätzlich wichtige Einnahmen gerade für die Schieneninfrastruktur“, erläuterte Detlef Müller (SPD). Straßenverkehrsgesetz: Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden sagte: „Statt Straße und Auto werden künftig Menschen und ihre Gesundheit sowie Klimaschutz stärker in den Mittelpunkt der Verkehrspolitik rücken.“ Hintergrund ist, dass im Straßenverkehrsgesetz neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und des Städtebaus berücksichtigt werden sollen. Kommunen können leichter Tempo 30-Zonen einrichten.
Die Gesetze sollen in dieser Woche im Bundestag beschlossen werden. Doch die Länder müssen im Bundesrat zustimmen. Bayern hatte im April vier weitere Autobahnprojekte angemeldet: den Weiterbau der A94 Richtung Passau, den Ausbau der A3 bei Deggendorf, der A7 im Allgäu sowie der A96 bei Wörthsee. Berücksichtigt wurde dieser Wunsch nicht. „Ich weiß nicht mehr, wie oft ich aus Berlin nun schon Ankündigungen für Reformen bei der Verkehrsinfrastruktur gehört habe“, sagte Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) unserer Zeitung. „Wichtig ist aber, dass das ganze Geld nicht nur in Hochleistungskorridore zwischen Ballungsräumen fließt, sondern vor allem der ländliche Raum profitiert.“