Koalition verspricht „Vernunft“ und Bürokratieabbau

von Redaktion

CSU und Freie Wähler nähern sich deutlich an – SPD hat Söder Sondierungsgespräche angeboten

München – Scherben liegen an diesem Mittwoch im Sitzungssaal, in dem die künftige Koalition seit Tagen ihren Vertrag aushandelt. Ist nur eine Wasserflasche zu Bruch gegangen, nicht mehr, geworfen wurde nichts. Im Gegenteil: CSU und Freie Wähler sind eher dabei die politischen Scherben zusammenzukehren, die im Wahlkampf entstanden sind. Nach allem, was zu hören ist, geht das besser voran als gedacht.

Seit nun genau einer Woche sind die Unterhändler am Werk. Einmal die Aussprache mit unerfreulichen Vorwürfen gegeneinander in großer Runde, wohl doch ein reinigendes Gewitter, seither wird in Kleingruppen viele Stunden täglich über Sachthemen geredet. Personalien und die umstrittene Ressortverteilung standen noch nicht auf der Tagesordnung.

Zur Zwischenbilanz fand sich gestern Abend wieder die große Runde zusammen – inklusive der Parteichefs Markus Söder (CSU) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Beide mögen sich weiterhin nicht fotografieren lassen oder gemeinsam auftreten. Sie schicken aber ihre Fraktionschefs Klaus Holetschek und Florian Streibl vor, um versöhnliche Töne anzuschlagen und das Gesprächsklima zu loben. Es gebe „Detailfragen“, die offen seien, sagen beide. Dem Vernehmen nach ist es über eine Seite an Differenzpunkten, unter anderem bei der Windkraft und Teilen der Agrarpolitik, aber bisher nichts Unüberwindbares.

Einig sind sich beide Partner bei einem umfassenden Bürokratie-Abbau auf Landesebene. Der Kurs in der Innenpolitik soll bleiben, der Ausbau der Lehrerstellen und der Kinderbetreuung.

„Es wird eine Koalition der Vernunft werden“, sagt Holetschek, „und der Stabilität“. Streibl deutet an, dass es keine Schulden geben soll, es herrsche das Prinzip der „schwäbischen Hausfrau“. Auch die Präambel für den Vertrag ist entworfen. Beide Partner, nicht nur einseitig die Freien Wähler, bekennen sich zur Demokratie, warnen vor Angriffen und grenzen sich hart von der AfD ab. Heute wird über Details weiterverhandelt, unter anderem der Digitalpolitik. Nächste Woche soll ein Entwurf des Vertrags stehen. Für 31. Oktober peilt die CSU die Ministerpräsidenten-Wahl an.

Dass die Verhandlungen gar so friedlich und still weiterlaufen, inspiriert die SPD zu einem Querschuss. Fraktionschef Florian von Brunn macht auf Nachfrage öffentlich, dass er Söder parallel bereits Sondierungen angeboten hat. „Es gab Kontakte. Ich habe ihm mitgeteilt, dass die SPD immer für Gespräche zur Verfügung steht.“ Nach Informationen unserer Zeitung sandte er eine SMS-Nachricht an Söder, beide sprachen zudem am Rand einer Veranstaltung in München kurz miteinander.

Rechnerisch würde es für ein schwarz-rotes Bündnis hauchdünn reichen, mit deutlich mehr Posten für die CSU. Es wäre wohl auch ein Signal Richtung Bund, wo in diesem Fall die Union von Schwarz-Rot träumt. Und mancher CSUler, der sich über Aiwanger grün und blau ärgerte, würde darüber frohlocken. Politisch wäre das in Bayern allerdings heikel: Söder schloss zwar nur ein Bündnis mit den Grünen explizit und vielfach aus, äußerte sich aber stets sehr kritisch darüber, mit einem der Ampel-Partner gemeinsam zu regieren. Ernsthaft rechnet deshalb auch die SPD nicht mit einem Anruf Söders.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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