München – Er hatte einen festen Vorsatz. „Alles werde ich“, gelobte Florian Streibl viele Jahre lang, „nur kein Politiker.“ Er, der Ministerpräsidenten-Sohn, kannte die Politik, ihre Abgründe, die Kämpfe und die Einschnitte im Privatleben aus nächster Nähe. „Eigentlich wollte ich damit nichts zu tun haben.“
Was für ein Kontrast! Heute ist Streibl, 60, einer der wichtigsten Politiker Bayerns. Wenn sich nächste Woche die Koalition aus CSU und Freien Wählern nochmal zusammenfindet, zusammenrauft, liegt das an ihm. Als Fraktionschef führt der Oberammergauer unaufgeregt die FW-Delegation durch die Gespräche, verhandelt Details und große Linien.
Nach der emotionalen Erregung um Parteichef Aiwanger, nach Vorwürfen und Rempeleien der Parteichefs („mädchenhaft“, „pubertär“) schafft Streibl wieder eine Gesprächsbasis. Eine scharfe Aussprache vor einer Woche mit der CSU hat es gebraucht, seither wird ruhig verhandelt, ohne Marktschreierei und Indiskretionen.
Jetzt ist ein Glücksfall, dass er nie Politiker werden wollte, die Rituale und das Rampenlicht mied. Er hatte ja anderes vor im Leben. Abitur, er studierte katholische Theologie, Priesterseminar, könnte sofort geweiht werden, wäre da nicht der Zölibat – die Ehe mit Barbara, die Familie sind für ihn wichtiger als alles andere. Streibl setzte ein Jura-Studium drauf, gründete eine Kanzlei. Er begann das Malen: Sein Büro und das Haus daheim, sogar die Küche, dominieren großformatige Gemälde in leuchtenden Farben, Dörfer der Provence, Berglandschaften, die Klagemauer in Jerusalem.
Der Vorsatz, ja nicht in die Berufspolitik zu gehen, hielt ein Jahrzehnt. 2008 wechselte er dann in den Landtag, wurde über die Liste gewählt und begann den Aufstieg dort: Neuling, Fraktionsmanager, seit 2018 Fraktionschef. Den „Strippenzieher aus dem Ammertal“ nannte ihn unsere Zeitung mal, und es missfiel ihm nicht. Weil bei ihm inzwischen wirklich viele Fäden der Landespolitik zusammenlaufen.
Politisch spannend ist, dass er bei den bunten Freien Wählern für ganz anderes steht als der omnipräsente Aiwanger. Streibl würde stets irritiert den Anwurf abweisen, seine Partei suche die Nische rechts von der CSU. Auch nicht links. Er, ein Wertkonservativer, weigert sich einfach, seinen Kurs anhand von CSU-Koordinaten zu definieren. Aus der Partei seines Vaters Max (regierte 1988 bis 1993, starb 1998) ist er nach dessen Sturz ausgetreten, verletzt von den Verwerfungen der Amigo-Affäre. Er hat aber dann auch seinen Frieden mit ihr gemacht, spätestens als im Januar 2022 der jetzige Ministerpräsident Markus Söder ans Grab von Max Streibl trat, sich verneigte und dem gestürzten Regenten einen ewigen „Ehrenplatz“ zusprach. Es war ein bewegender Moment für die ganze Familie. Max Streibls Witwe Irmingard weinte.
Politiker, die heute mit Florian Streibl zu tun haben, schildern ihn als verlässlich, vorsichtig, bisweilen eigenwillig mit seinen Bibelzitaten und der Hingabe zu Richard Strauss’ Musik. Im Lauf der Jahre hat er auch zur Führung der CSU eine belastbare Beziehung aufgebaut. Eine „Florians-Achse“ half der Koalition an unruhigen Tagen der letzten Jahre: zwischen Florian Streibl und Florian Herrmann, dem Staatskanzleichef der CSU. Beide lernten sich vor zehn Jahren im Mollath-Untersuchungsausschuss des Landtags schätzen, auch persönlich. Heuer in den Aiwanger-Wirren gab es dann einen engen Austausch mit Söder, viele lange Telefonate und Treffen, heißt es in der CSU.
Öffentliche Worte wägt Streibl ab, Kritik dosiert er, erst recht an eigenen Leuten. 2018 knöpfte er sich den damals neuen Minister Aiwanger vor, verdonnerte ihn zu mehr Präsenz und mehr Abstimmung mit der Fraktion. Das saß. Einmal genügte für eine erkennbare Besserung.
Jetzt, wo er auch noch selbst alle Koalitionsverhandlungen führt, könnte Streibl den nächsten Schritt gehen: Minister, Justiz vielleicht? Er wird es nach Lage der Dinge nicht tun, will die runderneuerte Fraktion (20 von 37 Abgeordneten sind neu) als Generalist weiter anführen: „Mit dem Amt bin ich sehr glücklich, sehr zufrieden.“ Dieser Vorsatz soll halten.