Schily kritisiert deutsches Asylrecht

von Redaktion

Nicht für „Massenzuwanderung“ gedacht gewesen – SPD-Politiker: Fokus auf Hilfe vor Ort legen

München/Berlin – Der ehemalige SPD-Bundesinnenminister Otto Schily (91) hat das deutsche Asylrecht deutlich kritisiert. „Wer heute in der Lage ist, Asyl einigermaßen verständlich auszusprechen, hat damit ein Zutrittsrecht nach Deutschland. Das ist Unsinn“, sagte Schily in der ARD-Talkshow von Sandra Maischberger. Schily legte nahe, dass die Verfasser des deutschen Grundgesetzes damals nicht an eine Migrationswelle gedacht hätten, wie Deutschland sie heute erlebe. „Ich glaube, dass man das damals so gar nicht gesehen hat. Man hat Einzelfälle vor Augen gehabt. Man hat da nicht über Massenzuwanderung geredet.“ Für diese Anforderungen sei das System nicht ausgelegt. „Dass die Zuwanderung in der Form, wie sie jetzt stattfindet, ein Riesenproblem wird, das kann man, wenn man nicht blind ist, erkennen“, sagte er.

Die Frage, was er konkret ändern würde, beantwortete der Jurist allerdings nicht. „Wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht uns auf ein Thema verengen“, sagte Schily. Das Thema Zuwanderung sei ein „Kaleidoskop von Problemen“, die man nicht „einfach so im Handumdrehen“ lösen könne. Denn selbst wenn man die rechtliche Situation außer acht lasse und davon ausgehe, dass jemand kein Bleiberecht habe, stelle sich die Frage: „Wohin können wir den zurückbringen?“ Und selbst wenn man überhaupt wisse, welches das Herkunftsland ist, sei nicht gesagt, dass dieses Land denjenigen auch zurücknehme. „Diese Komplexität des Themas muss man vor Augen haben, wenn man die Sache richtig diskutieren will.“

Er sei der Meinung, so Schily, dass es richtig ist, den Menschen, die in anderen Ländern unter Verfolgung oder Bürgerkrieg leiden, in erster Linie vor Ort zu helfen. Gleichzeitig stellte er die Frage: „Warum sind wir nicht in der Lage, in den Regionen, zum Beispiel in Afrika, die Auslandsvertretungen, vielleicht auch die Auslandsvertretungen der EU, so einzurichten, dass die Menschen, eine Adresse haben, dort hin gehen können und sagen: ,Wir haben hier ein Problem, wir wollen hier weg, und das ist der Hintergrund, warum wir das wollen‘?“ In den Vertretungen könne es dann eine Entscheidungsinstanz geben.

Auch CSU-Chef Markus Söder hat zuletzt eine grundsätzliche Debatte über die künftige Ausgestaltung des Asylrechts als möglicherweise nötig eingeschätzt. „Man muss am Ende vielleicht auch das Undenkbare noch mal diskutieren, ob die einzige Chance vielleicht sogar die Rechtsänderung ist bei der Verfassungsfrage des Grundrechts auf Asyl“, sagte Söder.

Ins Spiel gebracht hatte derlei Überlegungen im Sommer zuerst der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei. In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ plädierte er dafür, das Recht des einzelnen Menschen abzuschaffen, auf deutschem Boden Asyl zu beantragen. Es solle ersetzt werden durch Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa. Diese 300 000 bis 400 000 Flüchtlinge pro Jahr sollten direkt im Ausland ausgewählt und dann in Europa verteilt werden. Der CDU-Vorstoß war von den Ampel-Parteien scharf kritisiert worden.  hor

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