VON GEORG ANASTASIADIS
Für CSU, Freie Wähler, Linkspartei und FDP ist das keine gute Nachricht: Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ kommt und könnte ab 2025 den Bundestag durcheinanderwirbeln. Entgegen bisherigen Frohlockungen, dass die neue Partei hauptsächlich der AfD das Wasser abgraben werde, müssen all diejenigen am stärksten bangen, die 2025 womöglich unliebsame Bekanntschaft mit der Fünf-Prozent-Hürde machen könnten. Dazu zählt die ewige Todeskandidatin FDP genauso wie die in den Startlöchern stehende bundesweite Aiwanger-Partei und die Linke. Falls Karlsruhe das neue Ampel-Wahlrecht nicht noch stoppt, muss sich sogar die nur in Bayern antretende CSU ernsthaft Sorgen machen über die voranschreitende Fragmentierung des deutschen Parteiensystems.
Trotzdem zielt Wagenknecht natürlich am stärksten auf das Wählerklientel der AfD: Sie ist die wortmächtige Populistin, die die „Alternative“ so gerne hätte. Das allein schon macht sie zur gefährlichen Rivalin der Rechten. Vor allem aber hat die 54-Jährige einen völlig neuen national-sozialen Politik-Mix im Angebot, den so keine andere Partei bietet: migrationskritisch, in der Ablehnung jeglicher Hilfe für die Ukraine pazifistisch-nationalistisch und zugleich verteilungspolitisch klar links. Vor allem für die kleinen Leute könnte das attraktiver sein als das neoliberale Wirtschaftsprogramm von Höcke, Weidel & Co.
Parteienforscher schätzen das für Liste Wagenknecht anzapfbare Wählerpotenzial auf bis zu 20 Prozent, darunter viele ehemalige Linken-Wähler aus dem Osten. Die Linkspartei, Wagenknechts alte Heimat, war dumm genug, ausgerechnet die Seenotrettungskapitänin Carola Rackete zur Spitzenkandidatin für die Europawahl zu machen und sich damit als die woke „Lifestyle-Linke“ zu entlarven, als die sie von Wagenknecht geschmäht wird. Warum die Linke just den Wählerschreck der Saison, die Grünen, zu imitieren versucht, bleibt wohl auf immer ihr Geheimnis.
Georg.Anastasiadis@ovb.net