VON GEORG ANASTASIADIS
Jetzt hat der Kanzler das Angebot, das die Spatzen seit Tagen von den Berliner Dächern pfeifen, ganz offiziell auf seinem Tisch liegen: Die Union ist bereit, aus dem Stand als Juniorpartner in eine Art Regierung der nationalen Einheit unter Olaf Scholz einzutreten. Um die Dringlichkeit des Anliegens zu untermauern, hat CSU-Chef Markus Söder am Freitag ganz großes Geschütz aufgefahren: Die deutsche Nachkriegsdemokratie sei in Gefahr, wegen des dramatischen Vertrauensverlusts der Bürger wie die Weimarer Republik im Graben zu enden.
Es ist ein unmoralisches Angebot, das Söder dem Kanzler da unterbreitet: Es zielt darauf ab, das Misstrauen in der ramponierten Ampelregierung, in der sich die verkrachten Partner SPD, FDP und Grüne wie Ertrinkende aneinanderklammern, weiter zu vertiefen. Mal schauen, ob die Grünen bei den nun laut Kanzler geplanten Massenabschiebungen abgelehnter Asylbewerber wirklich so klaglos mitspielen. Das ist der taktische Teil. Es gibt aber auch einen staatspolitischen: Der Zersetzungsprozess, der in der deutschen Politik eingesetzt hat und dessen sichtbarstes Zeichen der kometenhafte Aufstieg der Populisten ist, muss jeden Demokraten tief besorgen. Wenn es den Volksparteien nicht gelingt, die von Horst Seehofer zu Recht zur „Mutter aller Probleme“ erklärte Migrationskrise in einem nationalen Kraftakt zu lösen und den Bürgern den Glauben an die Handlungsfähigkeit des Staates zurückzugeben, werden die Radikalen bald den Bundestag dominieren. Nicht umsonst hat Söder sein Koalitionsangebot an die SPD mit einer Koalitionsabsage an die gerade entstehende Wagenknecht-Partei verbunden, die er zu Recht eine weitere „destruktive“ Kraft nennt.
Der Kanzler sollte die Offerte annehmen, Grüne und FDP aus der Regierung werfen und Friedrich Merz zum Vizekanzler machen, auch weil das der Volkspartei SPD die vielleicht letzte Chance bietet, ihren Untergang zu stoppen. Für Scholz ist es Zeit, sich einzugestehen, dass seine Ampel ein Irrtum der Geschichte war – an dessen Zustandekommen Söder selbst aber nicht ganz unschuldig war.
Georg.Anastasiadis@ovb.net