Söder will Junior-Partner werden

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Es wirkt fast schon märtyrerhaft, als Markus Söder am Freitagmorgen in Berlin sagt: „Wir sind zu allem bereit. Dann auch als vermeintlich kleinerer Partner.“ Das hat Wucht. Ein Bayern-Regent fordert den Kanzler dazu auf, seine Koalitions-Partner zu feuern. Und bietet sich selbst als Junior-Partner an. Der CSU-Chef, der noch vor zwei Jahren vehement eine Regierungs-Beteiligung ausgeschlossen hatte, sollte sie nicht unionsgeführt sein. „Ich kann mir das nicht vorstellen“, sagte er damals.

Jetzt aber doch. „Ein ganz großer Teil der Deutschen glaubt nicht, dass die Regierung noch in der Lage ist, das Kernproblem zu lösen“, sagt Söder. Mit „Kernproblem“ meint er das Thema Migration. Und mit „lösen“ meint er Aufnahmestopps. Wenn nötig, auch durch Änderungen im Verfassungsrecht. „Das sollte kein Tabu sein.“

Es klingt etwas beängstigend, wenn der bayerische Ministerpräsident auf einmal vor „Weimarer Verhältnissen“ warnt. Das soll es auch. Söder vergleicht die Lage mit einer Zeit vor 100 Jahren, als die erste deutsche Demokratie unter der Unzufriedenheit ihrer Bürger zusammenbrach und der Nazi-Herrschaft den Weg ebnete. „Destruktive Kräfte werden stärker“, sagt er – und meint nicht nur die AfD, sondern auch die Wagenknecht-Partei. „Die Bevölkerung beginnt an der Demokratie zu zweifeln“, mahnt Söder.

Die Union, Retter der Demokratie: So soll das rüberkommen. Dann halt als Junior-Partner. Die Märtyrer-Rolle nimmt man dem Bayern-First-Strategen allerdings schwer ab. Die CSU erwischt die Ampel in einem denkbar verwundbaren Zustand. In Umfragen ist die Union ohnehin schon stärkste Kraft. Die SPD kommt laut ZDF-Politbarometer nur noch auf 15 Prozent, ihr schlechtester Wert in dieser Legislaturperiode. Die Grünen würden nur noch 14 Prozent erreichen – ebenfalls der schlechteste Wert seit Regierungsantritt. Die FDP müsste sogar mit fünf Prozent um ihren Einzug ins Parlament fürchten. CDU und CSU glänzen dagegen mit 30 Prozent. Ein Junior-Partner sieht anders aus.

Unklar ist noch, wie eng sich Söder bei seinem Vorstoß mit der CDU abgesprochen hat. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei, hält jedenfalls nichts davon: „Die Frage stellt sich zurzeit nicht“, sagt Frei „t-online“. „Die Bundesregierung hat einen klaren Auftrag. Sie bleibt aufgerufen, die schwere Migrationskrise mit ihrer Mehrheit zu lösen.“ Auch Generalsekretär Carsten Linnemann schließt einen fliegenden Regierungswechsel aus: „Dann muss es Neuwahlen geben.“ CDU-Chef Friedrich Merz hingegen, so ist zu hören, könnte in der GroKo als Vize-Kanzler und Finanz- sowie Wirtschaftsminister am Kabinettstisch Platz nehmen. Söder selbst hege diesbezüglich keine Berliner Ambitionen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt legt am Freitagabend noch mal nach. „Der Bundeskanzler muss handeln und etwas Fundamentales verändern“, sagt er unserer Zeitung. „Mit den Grünen geht das nicht, wir aber wären dazu bereit.“

Für die Ampel ist das Ganze eher ein Frontalangriff als ein Angebot. Am Freitagnachmittag trafen sich die Spitzen von SPD, Grünen und FDP im Kanzleramt – FDP-Chef Christian Lindner hatte zuvor eine „kritische Reflexion“ des Regierungshandelns gefordert. Ergebnisse wurden im Anschluss nicht bekannt. Aus Koalitionskreisen hieß es nur, man habe über den Hamas-Angriff auf Israel und die Zusammenarbeit in der Koalition gesprochen. Das Gespräch sei „ernsthaft und konstruktiv“ gewesen.

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