Berlin – Wie man die Scheinwerfer der Öffentlichkeit auf sich zieht, darin ist Sahra Wagenknecht Vollprofi. Schon vor der geplanten Pressekonferenz am Montag, bei der sich die Noch-Linke-Politikerin zu ihren Plänen für eine neue Partei äußern will, läuft der PR-Motor auf Hochtouren: In Halle äußert sie sich bei einer Buchlesung zum Projekt, die Webseite dafür ist schon online, und pünktlich vor dem Termin am Montag erscheint unter der geheimnisvollen Überschrift „Was plant Sahra W.?“ ein ausführliches Interview mit Alice Schwarzer in deren Zeitschrift „Emma“.
Ein Parteiprogramm verrät die 54-Jährige, die sich mit der Linkspartei überworfen hat, darin nicht. Aber es wird deutlich, mit welchen Inhalten ihr „Bündnis Sahra Wagenknecht“ wohl versuchen wird, anderen Parteien Konkurrenz zu machen. In dem Interview geht Schwarzer mit Wagenknecht deren Lieblingsthemen durch. Es sind genau die, mit denen sie der Linken in den vergangenen Jahren immer wieder quälende Richtungsdebatten aufgedrückt hat, sei es in Talkshows, mit ihrem Bestseller „Die Selbstgerechten“ oder mit der von ihr und Schwarzer organisierten Friedensdemo am Brandenburger Tor im Februar:
. Waffenlieferungen an die Ukraine hatte sie von Anfang an abgelehnt, ebenso die Wirtschaftssanktionen gegen Russland – genau wie die AfD. „Mit Waffen beendet man keinen Krieg, wir brauchen Verhandlungen. Etwas ist ja nicht falsch, nur weil es auch die AfD sagt“, findet Wagenknecht.
. Beim Thema Migration spricht Wagenknecht in „Emma“ von einer Überforderung der Infrastruktur, fehlenden Kitas, Lehrkräften und Wohnungen. Es seien nicht die Wohlhabenden, die darunter litten. „In deren Wohnvierteln findet das ja nicht statt.“
. Gendern lehnt sie ab. Grünen, SPD und „tonangebenden Teilen der Linken“ wirft sie ein „Denken in der eigenen Blase“ vor und „Gleichgültigkeit gegenüber denen, die rechnen müssen“. Jeder Mensch solle leben, wie es ihm gefällt, vegan essen, im Bioladen kaufen, Lastenfahrrad fahren, aber niemand solle sich deshalb für einen besseren Menschen halten.
Wie geht es nun weiter? Am Montag will Wagenknecht mit Mitstreitern den vor Kurzem gegründeten Verein „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ in Berlin vorstellen. Dies gilt als Vorstufe zur Gründung der eigenen Partei. Offen ist, wie viele Mitglieder der Linken Wagenknecht folgen und wer der Partei die Stange hält.
Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat sich offen für die Aufnahme von Linken-Abgeordneten gezeigt. „In der Linksfraktion gibt es einige gute Leute, die auch gut in die SPD-Fraktion passen würden“, sagte der Co-Chef der SPD-Linken, Sebastian Roloff, dem „Spiegel“. „Die können gerne kommen.“ Der stellvertretende Jusos-Vorsitzende Philipp Türmer sprach sich ebenfalls für die Aufnahme von weiteren Linken-Parlamentariern aus. Umfragen für die mit Andi Babler als Vorsitzendem neu aufgestellte Sozialdemokratische Partei Österreichs SPÖ zeigten, dass eine linke Sammlungsbewegung funktionieren kann, sagte Türmer. „So sollten wir uns als SPD auch positionieren.“ JÖRG RATZSCH