VON MARCUS MÄCKLER
Dass Sahra Wagenknecht den offiziellen Bruch mit der Linken so lange hinauszögerte, hatte viele Gründe. Einer war sicher ihre Erfahrung mit dem Projekt „Aufstehen“, das eine Art Wiedergeburt des linken Lagers sein wollte, aber – dilettantisch geplant – als großer Flop endete. Diesmal scheinen Wagenknecht und ihre Anhänger besser vorbereitet zu sein, außerdem treffen sie auf eine günstige Stimmung in Teilen der Wählerschaft; auch bei einigen, die bisher bei der AfD Zuflucht suchten. Und welcher Demokrat könnte schon etwas dagegen haben, die umfragestarken Rechten ein bisschen zu rupfen?
Man kann das alles so hinnehmen, der ohnehin vergifteten politischen Kultur in diesem Land wird die Geburt einer zweiten populistischen Kraft aber sicher nicht guttun. Wagenknecht reklamiert zwar für sich, eine seriöse Alternative zur AfD zu sein – in Wahrheit aber ist sie inhaltlich wie emotional deren linkes Pendant. Sie macht Bauch- und Frustpolitik, die den Leuten vorgibt, im Grunde sei doch alles ganz einfach: Russen-Gas ist schön billig, die Ukraine ist auch ein bisschen schuld, die Ampel sowieso, und das mit dem Klima ist eigentlich gar nicht so wild. Alles Unsinn, aber für manche Sinnsuchende attraktiv. Und die gibt es nicht nur bei der AfD.
Man sollte nicht darauf vertrauen, dass sich die Ränder selbst kannibalisieren. In dem Maße, in dem Wagenknecht Wähler aus der Mitte abzieht, schwächt sie diese und damit auch eine lösungsorientierte Politik. Was, wenn 2024 im Osten die zwei Populisten-Parteien an eine Mehrheit herankommen? Sie müssten nicht mal koalieren, um vernünftige Politik unmöglich zu machen.
Marcus.Maeckler@ovb.net