Luxemburg – Seit zwei Wochen ringen die EU-Staaten um Geschlossenheit in ihrer Nahost-Politik. Auf der einen Seite stehen Staaten wie Deutschland oder Ungarn, die den derzeitigen Gegenschlag Israels als legitime Selbstverteidigung ansehen. Auf der anderen Seite gibt es Länder wie Spanien, Irland und Belgien, die Israels Vorgehen in dem von der Hamas beherrschten Gazastreifen kritisch sehen und eine humanitäre Waffenruhe fordern.
Bei einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg sollten am Montag eigentlich Spannungen beseitigt werden. Doch die Fronten blieben verhärtet. Die eine Gruppe – darunter auch Deutschland – argumentiert, dass es für Israel nach den verheerenden Hamas-Angriffen existenziell sei, die Abschreckung wiederherzustellen und dass die EU dieses Selbstverteidigungsrecht entschlossen unterstützen müsse.
So stellt sich Deutschland auch gegen die Forderungen nach einem humanitären Waffenstillstand für den Gazastreifen. Die Bekämpfung des Terrorismus sei essenziell, sagt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Auch weiterhin gebe es weitere massive Raketenangriffe auf Israel. „Es wird nur Frieden und Sicherheit für Israel und die Palästinenserinnen und Palästinenser geben, wenn der Terrorismus bekämpft wird“, so Baerbock.
Aus der Gruppe mit den Ländern wie Spanien kommt dagegen die Warnung, dass zu viel Rückendeckung für Israel der Glaubwürdigkeit der EU als Verteidigerin des Völkerrechts schaden könne. „Das Leid unschuldiger Zivilisten, insbesondere von Kindern, hat ein Ausmaß erreicht, das eine sofortige Einstellung erfordert.“ Ein Waffenstillstand, um die Lieferung humanitärer Hilfe und medizinischer Hilfsgüter zu ermöglichen, sei „eine Angelegenheit von höchster Dringlichkeit“, sagt der irische Außenminister Micheál Martin.
Selbst zwischen den EU-Spitzenvertretern gibt es Streit über den richtigen Kurs. So warfen der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und EU-Ratspräsident Charles Michel der EU-Kommission von Ursula von der Leyen vor, mit einem zu israelfreundlichen Kurs den Interessen der Europäischen Union in der Region zu schaden und Spannungen und Hass zu verschärfen. Hintergrund war eine mittlerweile wieder zurückgenommene Erklärung, Entwicklungshilfezahlungen an die Palästinenser vorübergehend einzufrieren.
Für die EU steht bei den Diskussionen viel auf dem Spiel. „Wenn wir es nicht schaffen, mit einer Stimme zu sprechen, werden wir weder kurzfristig noch langfristig einen Beitrag zur Deeskalation in der Region leisten können“, warnte ein ranghoher EU-Beamter am Wochenende. Ganz generell gehe es um den Anspruch der EU, auch auf internationaler Ebene eine Rolle als Brückenbauer und Friedensstifter zu besetzen.
Die Diskussionen werden nun vermutlich am Donnerstag auf Ebene der Staats- und Regierungschefs fortgesetzt. Diese kommen dann in Brüssel zu ihrem Oktober-Gipfel zusammen.