VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER
Die Bayern haben keinen Wechsel gewählt. Also bekommen sie auch keinen. Der Koalitionsvertrag atmet viel Weiter-so. Das gilt im Guten, ein Fortsetzen der soliden Finanzpolitik, der sehr guten Innenpolitik, Aufstocken der Polizei, der Lehrer; Felder, auf denen Bayern viel besser dasteht als alle anderen Länder. Das Programm enthält mehr Stabilität und Konstanz als große Visionen und spektakuläre Ideen. Da schimmert durch, dass Söder und Aiwanger ihre Parteien straff führen, aber mit ihren Plänen nur noch teilweise in München sind. Ihre Gremien, die den Vertrag vormittags als Tischvorlage erhalten, sind genügsam genug, das ungelesen abzunicken.
Zweifel schürt der Ressortzuschnitt. Das Megathema Digitalisierung, bundesweit spektakulär verpennt, bleibt in einem Witz von Winzigministerium verräumt, Zuständigkeiten überall verteilt und jetzt noch zwischen den Parteien zerrieben. Im Fall Aiwanger ist der Kuhhandel um Kompetenzen sogar bizarr: Weil er privat Jäger ist, holt er sich Jagdrecht und Staatsforsten ins Wirtschaftsressort, eingetauscht gegen Tourismus. Die Hoffnung sinkt, dass er sich endlich mehr um Bayerns international orientierte Wirtschaft kümmert, um Hightech, Zukunft.
Vielleicht hätten die Unterhändler stattdessen mehr Energie in das eigentlich lohnendste Leitmotiv des Vertrags stecken sollen: Bürokratie abbauen, entfesseln, Freiheit schaffen. Genau das braucht Bayern, von Baurecht über Statistikpflichten bis Ehrenamt. Das Ziel ist richtig erkannt und benannt, aber in Prüfaufträgen und Soll-Formeln noch zu vage gefasst. Bei so vielen Regierungen in der ganzen Republik blieben das am Ende Lippenbekenntnisse. Das wirklich hinzukriegen und nicht nur davon zu reden, wird eine Hauptaufgabe des bürgerlichen Bayern-Bündnisses. Daran und nicht an der schönen Vertrags-Prosa wird die Regierung gemessen.
Christian.Deutschlaender@ovb.net