Washington – Mike Johnson war nur die vierte Wahl für den Vorsitz des US-Repräsentantenhauses. Und Medien unken, der vielleicht größte Trumpf des unbekannten Republikaners sei, dass er sich noch keine großen Feinde gemacht habe. Jetzt ist der Unterstützer von Ex-Präsident Donald Trump in das dritthöchste Staatsamt gewählt worden – nach drei chaotischen Wochen der Blockade des Repräsentantenhauses.
Vermutlich bekam der erzkonservative Abgeordnete aus dem südlichen Bundesstaat Louisiana deswegen parteiübergreifend so viel Applaus bei seiner ersten Rede als neu gewählter „Speaker“: Bei Republikanern wie Demokraten ist die Erleichterung riesig, dass das Repräsentantenhaus jetzt wieder handlungsfähig ist.
Präsident Joe Biden braucht den Kongress, um neue Militärhilfen für Israel und die Ukraine auf den Weg zu bringen und um eine Mitte November drohende Haushaltssperre abzuwenden. Und die Republikaner waren erpicht darauf, endlich ihre Grabenkämpfe zu beenden, die nicht nur dem bisherigen Vorsitzenden Kevin McCarthy das Amt gekostet hatten, sondern der Partei viel Kritik einbrachten.
Es waren diese chaotischen Umstände, die den politischen Nobody Johnson ins Rampenlicht trugen. Die der Selbstzerfleischung überdrüssigen Republikaner, die im Repräsentantenhaus über eine knappe Mehrheit verfügen, stimmten geschlossen für den 51-jährigen Anwalt, der erst seit 2017 in der Kongresskammer sitzt und über kaum politische Führungserfahrung verfügt.
Der 1972 in Louisiana geborene Johnson gilt als stramm rechts und ist evangelikaler Christ. Er tritt gegen Abtreibung und gegen die Homo-Ehe ein, ist für einen harten Kurs in der Einwanderungspolitik bekannt und ist fiskalpolitisch ein Hardliner. Bei seiner Antrittsrede am Mittwoch bezeichnete er den Schuldenberg des Landes als „die größte Bedrohung für unsere nationale Sicherheit“.
Das lässt nichts Gutes erahnen für die Haushaltsverhandlungen mit dem Weißen Haus. Und während Johnson sogleich neue Hilfen für Israel versprach, erwähnte er die angegriffene Ukraine mit keinem Wort.
Der neue „Speaker“ ist auch wegen seiner Unterstützung für Trump umstritten und verbreitet dessen Lüge von der gestohlenen Wahl weiter. Selbst nach dem Angriff radikaler Trump-Anhänger auf den Kongress stimmte Johnson gegen eine Anerkennung des Wahlausgangs. Stattdessen führte er eine Gruppe von gut hundert Republikanern an, die Rechtsmittel gegen Bidens Wahlsieg unterstützten.
Sicherlich auch deswegen warb Trump offen für Johnson und fand am Mittwoch lobende Worte für Johnson. „Alle mögen ihn, er wird von jedem respektiert“, sagte er. Radikale Abgeordnete, darunter die acht Parlamentarier, die McCarthys Sturz initiiert hatten, feierten Johnsons Wahl – auch als Zeichen eines Erstarkens des rechten Flügels. Tatsächlich zeigt die Personalie, wie weit die republikanische Fraktion nach rechts gerückt ist und welchen Einfluss Trump dort hat. Die Demokratische Parteizentrale bezeichnete Johnson als „Marionette, die im Repräsentantenhaus nach Trumps Pfeife tanzt“.
Johnson ging in seiner Antrittsrede mehrfach scherzhaft auf das Chaos der vergangenen Wochen ein und gelobte, das „Vertrauen“ der Bürger in den Kongress wiederherstellen zu wollen. Die Frage ist, ob die zerstrittenen Republikaner wieder zusammenfinden oder ob Johnson das nächste Opfer wird. afp/dpa